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Maenner in Freilandhaltung

Maenner in Freilandhaltung

Titel: Maenner in Freilandhaltung
Autoren: Michaela Thewes
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in die Hand drückte.
    »Ein Geschenk? Für mich? Aber ich hab doch heute gar nicht Geburtstag«, wehrte sich Nina halbherzig, hatte die Schleife jedoch bereits abgestreift. Dann riss sie ungeduldig das Papier auf und öffnete das Kästchen. »Ein Schlüssel?«, fragte sie verdattert.
    »Nicht irgendein Schlüssel, es ist Erikas Schlüssel zu eurem Haus.«
    Meine Schwester sah mich so bewundernd an, als hätte ich der Queen bei einem Tässchen Tee ihre Kronjuwelen abgeschwatzt. »Wie hast du das denn geschafft?«
    »Das wüsstest du wohl gern«, sagte ich grinsend. »Mal sehen, vielleicht verrate ich’s dir irgendwann.« Ich griff nach Ernies Leine, die über einem Gartenstuhl hing. »So, jetzt geh du mal zu deinen Männern feiern. Ich muss los. Ich hab noch etwas Dringendes zu erledigen.«
    Mein Herz klopfte bis zum Hals, als ich das Waldstück erreichte, in dem Jan normalerweise um diese Zeit mit seinen Hunden spazieren ging. Schwer zu sagen, ob das an meinem schnellen Lauftempo oder an der Aufregung lag. Vielleicht hatte Jan seinen Spaziergang ja heute schon gemacht. Oder aber, was noch viel schlimmer wäre, er wollte gar nichts mehr mit mir zu tun haben ...
    Ernie, den ich zum Liebesboten ernannt hatte, schien sich in seiner Rolle nicht besonders wohlzufühlen. Immer wieder blieb er stehen und schüttelte sich, so als könnte er auf diese Weise das Schild, das ich an sein Halsband gebunden hatte, loswerden.
    Mein Herz machte einen aufgeregten Satz, als ich Jan plötzlich entdeckte. Etwa hundert Meter von mir entfernt stand er mit seinen drei Hunden auf einer kleinen Waldlichtung. Ernie hatte ihn offenbar auch gewittert, denn er wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. Ich löste den Karabinerhaken seiner Leine und rief: »Lauf!« Sofort preschte Ernie los. Braver Hund! Doch plötzlich, ungefähr auf halbem Weg, schlug er einen Haken und verschwand im Unterholz. Schwupp, weg war er. Einfach auf und davon. Panisch starrte ich auf die Stelle im Gestrüpp, wo ich das letzte Mal Ernies Schwanzspitze gesehen hatte. Vielleicht hatte er die Fährte eines Hasen aufgenommen, oder er wollte mich ärgern, weil ich ihm dieses blöde Schild um den Hals gehängt hatte.
    »Bitte, Ernie, bitte«, flüsterte ich beschwörend.
    Da kam er auch schon in halsbrecherischer Geschwindigkeit hinter einem Baum hervorgeschossen. Als Ernie Jan erreicht hatte, setzte er sich vor ihn und sah mit schräg gelegtem Kopf zu ihm auf. Nervös beobachtete ich, wie Jan sich hinhockte und das Schild las. Dann kramte er in seiner Jackentasche herum. Meine Güte, was machte der Kerl da? Brauchte er womöglich eine Brille? Suchte er einen Stift? Mit zusammengekniffenen Augen erkannte ich, dass er Ernie ein Leckerli zusteckte. Ein gutes Zeichen, wie ich fand. Ich hatte lange darüber nachgedacht, was ich auf das Schild schreiben sollte. Die Botschaft, die Ernie Jan überbracht hatte, bestand aus drei Worten. »Ich liebe dich« war auch in der engeren Wahl gewesen. Aber nach einiger Überlegung war ich zu dem Ergebnis gekommen, dass es dafür noch zu früh war. Jan und ich kannten uns erst ein paar Wochen. Schließlich hatte ich mich daran erinnert, was Jan bei unserem letzten Gespräch gesagt hatte. Er wollte klare Ansagen? Die konnte er haben! Und so hatte ich mich auf eine kurze Message beschränkt, die Jan durch seine Arbeit mit den Hunden bestens vertraut war: »Komm und bleib!«
    Jan stand auf und kam auf mich zu. Als sich unsere Blicke trafen, lächelten wir uns an. Niemand konnte wissen, was die Zukunft bringen würde. Aber wenn mich mein Bauchgefühl nicht täuschte, standen die Chancen verdammt gut, dass Jan auch bleiben würde ...
     

 
    Michaela Thewes , geboren 1972, lebt mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen Söhnen in der Nähe von Düsseldorf. Nach verschiedenen Tätigkeiten in der Verlags- und Werbebranche ist die gelernte Verlagsbuchhändlerin seit mehreren Jahren selbstständig. Sie arbeitet als freie Werbetexterin und Autorin.
    Mehr Infos unter: www.michaela-thewes.de
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