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Maenner in Freilandhaltung

Maenner in Freilandhaltung

Titel: Maenner in Freilandhaltung
Autoren: Michaela Thewes
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ich ihnen nach. Einer der Möbelpacker hatte die Ärmel des Overalls um die Hüften geschlungen und vorne zusammengeknotet. Sein weißes Feinrippunterhemd gab den Blick frei auf ein großes Tattoo auf seinem Oberarm: ein brennendes Herz mit der Inschrift Tina. Ganz schön mutig, schoss es mir durch den Kopf. Was, wenn Tina eines Tages passé war? Suchte er sich dann eine neue Flamme namens Tina? Das würde die Auswahl natürlich erheblich einschränken. Bliebe noch die Möglichkeit, den Namen einfach durchzustreichen ... Aber zum Glück war das nicht mein Problem, ich hatte im Augenblick ganz andere Sorgen.
    Der Chef der Möbelpacker war nun voll in seinem Element. »Jörsch und Hans, ihr fangt hier unten an.« Dann zeigte er auf die Kommode im Eingangsbereich, die als Schuhschrank diente. »Die kommt mit.«
    »Die kommt nicht mit«, widersprach ich empört.
    Ohne meinen Protest zur Kenntnis zu nehmen, griffen Jörg und Hans nach der Kommode. Dummerweise hatte ich gerade kein Fahrradschloss oder Ähnliches zur Hand, um mich an dem Schuhschrank festzuketten. Trotzdem konnte ich nicht einfach so zulassen, dass die Männer den Schrank nebst Kinderstiefeln mitnahmen. Sollten die Jungs im Winter barfuß laufen?! Außerdem: Wenn Nina hier auszog, war das womöglich der Anfang vom Ende. In meiner Verzweiflung kletterte ich einfach auf die Kommode. Was die Möbelpacker aber keinesfalls davon abhielt, sich das Möbelstück zu schnappen und mich wie auf einer Sänfte Richtung Haustür zu tragen. In einer anderen Situation hätte ich mich möglicherweise geschmeichelt gefühlt, mit welch spielerischer Leichtigkeit die Männer mich – und den Schuhschrank – in die Höhe hoben. Aber ich musste mich zu sehr aufs Festhalten konzentrieren.
    »Runterlassen, sofort runterlassen«, befahl ich, doch die Reaktion war gleich null. Als die Männer mich an ihrem breit grinsenden Chef vorbeitrugen, konnte ich aus luftiger Höhe einen Blick auf seine Liste erhaschen. Ganz oben auf dem Papier hatte jemand mit Edding eine Adresse notiert. Was für eine Sauklaue! Doch dann stutzte ich. »Wiesengrund 7? Hey Sie! Warten Sie!«, rief ich dem Chef der Umzugstruppe zu, der nun die Liste zusammenrollte und in einer Außentasche seines Blaumanns verstaute. »Das ist nicht Wiesengrund 7, sondern Wiesengrund 5. F-ü-n-f, verstanden?!« Ich hasste Klischees und Vorurteile. Nur weil diese Männer jede Menge Muskeln und Tätowierungen hatten, hieß das ja nicht zwangsläufig, dass sie nicht bis drei zählen konnten. Aber bis fünf? Deshalb setzte ich sicherheitshalber noch hinzu: »Hier wohnt Familie Blankenburg.«
    »Sofort absetzen«, befahl der Boss, rollte seine Liste wieder auseinander und sah mich an. »Tatsäschlisch.«
    Die Männer ließen mich mitsamt der Kommode wieder auf den Boden herunter.
    In diesem Moment erschien, angelockt durch den Tumult, endlich auch Daniel auf der Bildfläche. »Was ist denn hier für ein Krach?«
    »Ein Irrtum. Nix für unjut. Wir sind schon so jut wie weg.«
    Nachdem auch die Männer aus der oberen Etage, die bereits damit begonnen hatten, das Ehebett auseinanderzubauen, zurückgepfiffen worden waren, zog der Trupp weiter zum Nachbarhaus.
    Wie Jette kurz darauf am Telefon zu berichten wusste, war Vicky von ihrem Mann beim Fremdgehen in flagranti erwischt worden. Woraufhin er sie kurzerhand vor die Tür gesetzt hatte. Traurig, wenn eine Beziehung auf so hässliche Weise zu Ende ging. Aber vielleicht war es für beide am besten so.
    Am Nachmittag kamen Christophers Freunde. Zum Glück spielte das Wetter mit, sodass wir im Garten feiern konnten. Kurz nach der Kuchenschlacht hatten die Jungs schon wieder Hunger. Ich konnte gar nicht so schnell für Nachschub sorgen, wie alles aufgefuttert war. Als ich gerade zwei frisch aufgefüllte Schüsseln mit Knabbereien nach draußen tragen wollte, hörte ich in der Diele jemanden leise nach mir rufen.
    »Sssschhhh, Lulu.«
    Wie angewurzelt blieb ich stehen. Dann sah ich mich suchend um. Komisch, ich war mir sicher, eine Stimme gehört zu haben, aber die Diele war menschenleer. Okay, in letzter Zeit war alles ein bisschen viel gewesen. Vor gut einem Monat hatte ich noch in Düsseldorf täglich brav am Schreibtisch einer Steuerkanzlei gesessen – und nun war ich Pächterin einer Dorfkneipe. Auch mein Liebesleben war in den letzten Wochen reichlich durcheinandergewirbelt worden. Aber dass ich jetzt schon Stimmen aus dem Wandschrank hörte, machte mir ernsthaft Sorgen. Höchste
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