Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maenner in Freilandhaltung

Maenner in Freilandhaltung

Titel: Maenner in Freilandhaltung
Autoren: Michaela Thewes
Vom Netzwerk:
Zeit, dass du endlich ein bisschen zur Ruhe kommst, dachte ich, sonst bist du bald ein Fall für die Klapse.
    »Lulu«, flüsterte es in diesem Moment erneut.
    Ich stellte die Schüsseln mit den Salzbrezeln auf der Kommode ab und öffnete vorsichtig die Tür des Wandschranks. Ehe ich wusste, wie mir geschah, wurde ich gepackt und ins Innere des Schrankes gezerrt. Durch die Lamellentür fiel ein schwacher Lichtschein. Angestrengt versuchte ich etwas zu erkennen, doch es dauerte einen Moment, bis meine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten.
    »Nina! Meine Güte, wo hast du bloß gesteckt?« Glücklich schloss ich meine Schwester in die Arme.
    »In einem Kloster«, flüsterte Nina und gab mir zu verstehen, ebenfalls leise zu sprechen.
    »In einem Kloster!?!«
    »Pssst.«
    »Bist du verrückt? Kein Mann der Welt ist es wert, für ihn ins Kloster zu gehen.«
    »Keine Sorge, das hab ich auch nicht vor«, wisperte Nina, während sie eine Jacke zur Seite schob. »Ich brauchte einfach nur Ruhe und Abstand. Deshalb habe ich mich in einem kleinen Kloster in der Provence einquartiert.«
    »Verdammt, warum hast du dich nicht viel früher mal gemeldet?!«
    »Das Kloster liegt mitten in der Pampa, kein Telefon, kein Fernsehen, nichts dergleichen.«
    »Aber jetzt bist du ja zum Glück wieder hier.« Ich griff nach Ninas Hand. Irgendwie wusste ich selbst nicht so genau, ob ich das Bedürfnis hatte, meiner Schwester nahe zu sein, oder ob ich sie am Weglaufen hindern wollte. »Was treibst du eigentlich im Wandschrank?«, fragte ich und gab ihre Hand wieder frei.
    »Ich wollte noch kurz mit dir reden, bevor Daniel und die Jungs mich entdecken.«
    Wogegen nichts einzuwenden war. Nur den Ort fand ich nicht besonders glücklich gewählt. Ich hatte kein Problem mit engen Räumen – sofern die Sauerstoffzufuhr gesichert war. Was mir in diesem Fall mehr als fragwürdig zu sein schien. Deshalb war es wohl das Beste, ganz schnell zur Sache zu kommen.
    »Daniel liebt dich«, gab ich Nina eine präzise Zusammenfassung der vergangenen Wochen.
    »Ja, klar. Und darum ruft er im Schlaf nach Kerstin.« Wie ein Reibekuchen, aus dem das Fett nur so herausquoll, triefte Ninas Stimme vor Ironie.
    »Dein Mann hat Albträume, verdammt noch mal. Deshalb ruft er nachts nach Kerstin.«
    »Albträume?«, fragte Nina bestürzt. »Was für Albträume? Und warum hat er mir nichts davon erzählt?«
    »Das musst du ihn schon selbst fragen.« Es war nicht meine Aufgabe, Daniels trauriges Geheimnis zu lüften. Eine Sache musste ich jedoch trotzdem noch loswerden. »Bevor du abgetaucht bist, hättest du mir wenigstens verraten können, dass Kerstin die Frau ist, mit der du ständig konkurrieren musstest«, sagte ich vorwurfsvoll, während ich vorsichtig die Schranktür einen Spalt öffnete. Endlich Sauerstoff! Nun fiel auch etwas mehr Licht in den Schrank, sodass ich Ninas Gesicht besser erkennen konnte. Sie sah ehrlich zerknirscht aus.
    »Ich dachte, das wäre offensichtlich.«
    »Ja, jetzt – im Nachhinein. Ich hab mir die längste Zeit den Kopf darüber zermartert, wer diese ominöse Frau sein könnte. Mal habe ich gedacht, es ist Hannah, dann mal wieder Rebecca.«
    Nina seufzte. »Schön wär’s. Glaub mir, es ist viel schwerer, mit einer Toten zu konkurrieren als mit einer Frau aus Fleisch und Blut.«
    Das konnte ich mir sehr gut vorstellen. Ich dachte an Daniels Ausraster, als ich es gewagt hatte, die Wände orangefarben zu streichen. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn ich Kerstins Fröschen auch nur ein Haar gekrümmt hätte. Obwohl ich Ninas Eifersucht sehr gut nachvollziehen konnte, blieb immer noch die Frage offen, warum sie mich als Aufpasserin für Daniel engagiert hatte.
    »Ich hab an allem gezweifelt, an Daniel, an unserer Liebe und am meisten an mir selbst«, erklärte Nina, als ich sie danach fragte. »Plötzlich haben Daniel und ich ständig gestritten. Meine Eifersucht auf Kerstin hat unsere Beziehung regelrecht vergiftet. In so einer Situation holen sich Männer gerne von außen Trost und Selbstbestätigung. Und du hast ja selbst gemerkt, wie Hannah und Rebecca sich Daniel an den Hals werfen. Da wollte ich lieber auf Nummer sicher gehen. An dieser Stelle bist du ins Spiel gekommen.«
    Eine Sekunde lang erwog ich es, Nina von dem Kuss auf dem Sommerfest zu erzählen, entschied mich jedoch dagegen. Erstens hatte der Kuss absolut nichts zu bedeuten gehabt, und zweitens würde Daniel ihr diese kleine Entgleisung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher