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Madonna, ein Blonder!

Madonna, ein Blonder!

Titel: Madonna, ein Blonder!
Autoren: M Zöller
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ein angestrengtes Höflichkeitslächeln, hinter dem sich eines verbirgt: Neid.
    Man kann es ihnen nicht übel nehmen, der Neid hat einen Grund: Ich fahre nach Rom. Heute Abend noch, mit dem Nachtzug. Und ich fahre ohne Rückfahrkarte. Denn ab morgen werde ich in Rom leben. Nicht Urlaub machen. Nein, leben!
    Draußen regnet es. Nicht erst heute, seit Wochen. Kalter Regen, als hätten sich alle Regenwolken der Welt verbündet, um den Münchnern schon an diesem Tag Ende Mai klarzumachen, dass es dieses Jahr wieder nichts wird mit einem sonnigen Sommer. Je mehr Regen auf die ohnehin schon nass glänzende Straße fällt, desto bemühter wird das Lächeln. Viele, denen ich an diesem Abend meinen Umzug nach Rom ankündige, sagen: » Ist ja super«, und schauen dabei so fröhlich wie jemand, der im Flugzeug eine Stewardess nach der Kotztüte fragt.
    Ich sitze im » Mezzogiorno«, einer seit ein paar Jahren sehr angesagten italienischen Kneipe in der Münchner Innenstadt, unweit des berühmten Hofbräuhauses. Doch stopp: » Kneipe« ist natürlich eine unangemessene Bezeichnung– Amadeo, der stolze Betreiber des Lokals, besteht nämlich eisern darauf, dass es sich beim » Mezzogiorno« um eine » Bar« handelt.
    » Ke-neipäää«, hat Amadeo einmal gesagt und dabei die Nase gerümpft, » Ke-neipää, das-e ist Bier und Essen-e fettes. Eine italienische Bar eißst-e Stil-e!« Dazu hat er diese italienische Geste gemacht, bei der sie die Fingerspitzen der rechten Hand zueinanderführen und die Hand kräftig schütteln. » Hai capito?« – Hast du verstanden?«
    » Ja klar«, habe ich schnell gesagt. Denn eins muss man ihm ja wirklich lassen: Amadeo hat es geschafft, das » Mezzogiorno« auf dem vollbesetzten Markt italienischer oder sich italienisch gebärdender Kneipen, Bars und Restaurants in München clever zu positionieren: Das » Mezzogiorno« ist nämlich sowohl bei der Bussi-Bussi-Fraktion als auch bei der Bionade-Klientel beliebt. Eigentlich also bei allen Menschen, die es in München gibt. Wie er das geschafft hat?
    Ganz einfach: Der soziale Kitt heißt » Spritz«.
    Ganz München nämlich schüttet diesen orangefarbenen Aperitif seit ein paar Jahren wie verrückt in sich hinein. Er besteht aus Weißwein oder Prosecco (da gibt es einen erbittert geführten Glaubenskrieg), Aperol, Mineralwasser, Eiswürfeln, Glas und Strohhalm.
    Mehr nicht. Trotzdem trinkt man Spritz in München, als sei es ein magischer Zaubertrank, und ist bereit, fast jeden Preis dafür zu zahlen. Längst gehört dieser Italoimport zu der Bayernmetropole wie Weißwürste und Brezn– wahrscheinlich sogar schon mehr. Täglich kommen neue Münchner hinzu, die ihren Tag wie selbstverständlich mit einer Latte macchiato beginnen und mit einem Spritz beenden. Geht das so weiter, muss man davon ausgehen, dass es an der Isar in zehn Jahren keine Biergärten, sondern nur noch » Spritzgärten« geben wird und der Genuss von Filterkaffee unter Strafe stehen dürfte.
    Meine alte Freundin Uli, mit der ich diesen Abend meiner Abfahrt im » Mezzogiorno« verbringe, findet Spritz auch super. Sie meint, er sei so erfrischend, und hat schon den zweiten vor sich stehen. » Ich freue mich so für dich«, presst sie mühsam hervor, als wir über meinen Aufbruch nach Rom sprechen. Ich rechne ihr diese Worte hoch an, denn indem ich in die Ewige Stadt gehe, lebe ich eigentlich ihren Traum.
    Uli ist etwa einen Kopf kleiner als ich, hat halblange braune Haare und trägt eine gewaltige grüne Hornbrille. Sie hat in München Kunstgeschichte und Archäologie studiert und kennt jedes Stück Marmor und jeden Quadratmeter bemalte Leinwand zwischen dem Brenner und Palermo.
    So gesehen ist es ein bisschen unfair, dass ich es jetzt bin, der nach Italien geht. Verglichen mit ihr habe ich nämlich dort bisher nur Sandburgen gebaut und, na gut, zwei Sprachkurse besucht. Gäbe es eine Skala für den perfekten zugereisten Italiener, dann würde Uli von 100 möglichen Punkten 70 bekommen und ich bestenfalls 10, wobei sie mich wohl eher auf Stufe 5 sehen würde. Trotzdem ziehe nun ich ins Land ihrer Träume und nicht sie.
    » Bleiben Sie mal ein Jahr«, so der Chefredakteur einer südwestdeutschen Zeitung, der einen neuen Korrespondenten für Rom suchte, » dann sehen wir weiter.« Ich hatte mich beworben und bekam den Job zu meiner Überraschung tatsächlich. Hatte ich zu vollmundig angekündigt, » mal so richtig« recherchieren zu wollen, was es eigentlich mit der Mafia auf sich
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