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Madonna, ein Blonder!

Madonna, ein Blonder!

Titel: Madonna, ein Blonder!
Autoren: M Zöller
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hat?
    » Dann alles Gute! Arrivederci «, verabschiedete sich mein neuer Chef, gab mir einen freundlichen Klaps auf die Schulter, und ich war entlassen.
    Zugegebenermaßen sank meine Selbstsicherheit in den folgenden Wochen etwas. Vor allem immer dann, wenn mein Blick auf das Zugticket an der Pinnwand fiel. Sollte ich das wirklich machen? Nach Italien gehen?
    Jetzt ist es zu spät. » Prost, carissimi, ihr Lieben«, sagt Amadeo und stellt Uli und mir je einen neuen Spritz hin. » Dein letzter von Amadeo«, fügt er hinzu, und ich nicke. Der Wirt lächelt, er mag uns beide. Wir sind noch vom alten Schlag: kinderlos, Singles und folglich gute Kunden.
    » Fur mein-e besondere Gast-e.« Mit diesen Worten stellt Amadeo uns Tellerchen mit Tramezzini hin. Wir lächeln, obwohl wir wissen, dass er das zu allen sagt, und stürzen uns auf die Weißbrotdreiecke. Diese kleinen Happen, die man bei Amadeo zum Spritz bekommt, sind– neben dem Aperitif– der zweite Grund, warum sein Laden so brummt. Woanders kriegt man, wenn man Glück hat, eine Schale speckiger Erdnüsse.
    Uli und ich kennen uns vom deutsch-italienischen Stammtisch, der früher einmal im Monat im » Mezzogiorno« stattfand – mittlerweile ist er Geschichte. Bei meinem ersten Mal dort war ich der einzige Mann zwischen blonden Italianistikstudentinnen, die vor sich Halblitergläser mit Apfelsaftschorle stehen hatten und untereinander ernsthaft italienisch redeten. Zunächst dachte ich, sie machen Witze – bis man mich gänzlich ignorierte, als ich auf Deutsch nach dem Salzstreuer fragte. So kamen Sätze zusammen wie: » Scusi, äh, scusa, kann ich mir eine Dings, äh, Zigarette, äh, sigaretta ausleihen?« Nur eine der Studentinnen fand das genauso bescheuert wie ich: Uli. Wir redeten den Rest des Abends deutsch und überlebten schließlich den Stammtisch, dem nach und nach die Mitglieder wegbrachen.
    Seither treffen wir uns weiterhin an jedem ersten Donnerstag im Monat im » Mezzogiorno«. So auch heute, darauf hat Uli bestanden, weil sie mich noch zum Zug bringen will. Ich habe nichts dagegen, denn meine Eltern und Geschwister sind verreist.
    » Ich habe noch was für dich.« Uli nestelt unterm Tisch herum und wuchtet einen gewaltigen Weidenkorb nach oben. Er ist eingehüllt in eine knisternde, durchsichtige Folie, die einen Höllenlärm macht. » Damit dir München nicht so fehlt«, sagt sie.
    Oha, ein Fresskorb!
    Diese Präsente sind in den letzten Jahren zur regelrechten Manie geworden. Wenn man nicht weiß, was man verschenken soll, wählt man einen Fresskorb– am besten einen mit ganz typischen Sachen, die man normalerweise aus gutem Grund nicht kaufen würde und die deshalb auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in einer Ecke verschimmeln werden. Exakt so ein Ding steht nun vor mir. Bestimmt war er sauteuer.
    Ich ziehe an der gewaltigen Schleife aus weiß-blauem Geschenkband, die Folie fällt nach allen Seiten auseinander, und da liegt die Bescherung vor mir: Weißwürste in der Dose, Schinkenwurst im Glas, eine Dose Schnupftabak, ein Maßkrug, zwei Radi und noch verschiedene weitere » Spezialitäten«. Ich bin überwältigt– vor allem jedoch von dem Gedanken, das alles morgen verschlafen in Rom zu meiner Wohnung schleppen zu müssen.
    » Mensch, Uli, danke«, sage ich nicht ganz aufrichtig. »Genau, damit mir München nicht so fehlt…« Ich ahne schon jetzt, dass das Glas mit weißem Presssack mich die nächsten fünf Umzüge begleiten wird, mindestens bis zum aufgedruckten Haltbarkeitsdatum im Jahr 2019.
    Amadeo stellt sich dazu und begutachtet die fränkische Leberwurst in der Dose. » Original-e italienisch Kuch-e, ha?«
    » Haha«, macht Uli, während Amadeo seine schwere Hand auf meine Schulter legt. Was hat er jetzt schon wieder? Seitdem ich ihm vor ein paar Wochen erzählt habe, ich würde nach Rom gehen, schaut er mich immer so nachdenklich an.
    Er presst die Lippen zusammen und dreht die Leberwurstdose in seiner rechten Hand. » Martino, Martino, isch sage dir-e, Roma ist-e eine super-e Stadt-e, aber-e für disch…«
    Was will er damit andeuten?
    Er fasst mir mit der linken Hand unvermittelt in die Haare. » Aber-e für disch… mit diesem blonden Gemus-e auf dem Kopf…«
    Auf meinen starren Blick hin nimmt er endlich die Hand aus meinen Haaren, macht unschuldig » Eeeh!« und schaut mir ernst ins Gesicht. » Ist-e Frage der-e Integration-e.«
    Wie bitte?
    Was dann kommt, ist eine Folge aus der Reihe » Lebensweisheiten mit
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