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Madonna, ein Blonder!

Madonna, ein Blonder!

Titel: Madonna, ein Blonder!
Autoren: M Zöller
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Sitzen getrunken habe.
    » Aber es ist doch niemand da außer mir.« Ich zeige entgeistert in die leere Bar.
    Massimo macht es wie der angebliche Taxifahrer. Er fixiert unbeteiligt einen fernen Punkt im Universum und wiederholt ungerührt seine Forderung: » Cinque Euro, grazie.«
    Mit einem entschiedenen » No!« mache ich ihm klar, dass ich gar nicht daran denke.
    Barmann Massimo setzt jetzt einen theatralischen Blick auf, legt die Innenflächen seiner Hände gegeneinander, hebt die Unterarme in Brusthöhe und wedelt mit den Händen auf und ab: » Madonna, biondino, du hast dich hingesetzt, Blonder, also zahlst du den vollen Preis.«
    Leider habe ich nichts mehr aus Ulis Fresskorb, das ich ihm anbieten könnte. Also lege ich 5 Euro in die abgegriffene Geldschale und verlasse das ungastliche » I Soliti Ignoti« auf Nimmerwiedersehen– nicht ohne in der Tür noch » Cazzo!« zu nuscheln.
    Draußen schaue ich mich unschlüssig um. Immerhin, den Schlüssel habe ich, und so gehe ich in die Richtung, in der ich die Via dei Sarelli vermute. Dort, Nummer 54, soll meine Wohnung sein.
    Zwei Minuten später, ich kurve mit meinem Rollkoffer gerade noch um einen weiteren Berg Hundescheiße herum, erlebe ich die dritte denkwürdige Begegnung dieses Tages:
    Ein Moped mit zwei Jungs rast heran, ihre schwarzen Helme sitzen– ohne festgezurrt zu sein– locker auf ihren Köpfen, sodass sie genauso gut ganz ohne fahren könnten. Die würden sich vermutlich totlachen über die 15-jährigen Bauernsöhne auf bayerischen Straßen, die auf ihren Mopeds mit 30 km/h dahinzuckeln, aber gewaltige Helme und Lederschutzkleidung tragen wie Formel-1-Piloten!
    Je näher das Moped kommt, desto mehr klingt es nach einem durchgeknallten Rasenmäher. Als die beiden auf meiner Höhe sind, hupt der vorne sitzende Junge zweimal und ruft quer über die Straße in meine Richtung: » Oohu, biondo! « Sie winken mir zu und lachen. Gar nicht mal beleidigend. Sondern eher so, als betrachteten sie mich als Mensch mit Seltensheitswert.
    Nach nicht einmal zwei Stunden in Rom muss ich feststellen, dass man sich mit blonden Haaren in dieser Stadt so unauffällig bewegt wie ein Punker mit Irokesenschnitt in einer deutschen Fußgängerzone.
    Nummer 62, 60, 58… Ich suche nach meinem Haus, der Nummer 54 in der Via dei Sarelli. Drei Einmündungen von Seitenstraßen habe ich bereits passiert, sie hießen Via Marcello II ., Via Anastasio II . und Via Pio V. und sind somit allesamt nach Päpsten benannt. Kein Zweifel, denke ich mir, ich bin wirklich in Rom.
    » Die Nummer 54 ist ein Palazzo auf der rechten Seite«, hieß es in der E-Mail meines Vermieters, in der er mir alles Notwendige, einschließlich des hinterlegten Schlüssels, mitteilte. Als ich schließlich vor dem Haus stehe, finde ich, dass die Bezeichnung » Palazzo« ein arg großes Wort für das Gebäude ist.
    Acht Stockwerke, überall heruntergelassene Rollläden, vermutlich gegen die Hitze, erdbraune Fassadenfarbe, die aussieht, als würde sich das Haus häuten, und auf dem Dach zähle ich allein von der Straße aus 17 Antennen.
    Springbrunnen, eine kiesgedeckte Auffahrt und symmetrisch angelegte Gärten, wie ich sie bei einem Palazzo irgendwie erwartet habe, sehe ich nicht. In Deutschland würde man das Haus einfach eine Mietskaserne nennen.
    Nun denn. Voller Spannung stecke ich im sechsten Stock den Schlüssel ins Schloss meiner Wohnungstür.
    Drei, zwei, eins, die Tür schwingt auf. Dutzende, Hunderte, vielleicht Tausende Male werde ich das wohl noch gedankenlos machen– jetzt aber ist es ein großer Moment.
    Mein erster Eindruck: Sie ist schön, diese Wohnung. Hier zu leben, das kann ich mir gut vorstellen. Ein bisschen klein vielleicht. Jedoch gemütlich– bis auf den weißen Fliesenboden, mit dem ich in München nicht mal den Keller ausstatten würde. Ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, ein kleines Bad, eine kleine Küche und vor allem eine großzügige, mit Orleander, Ficus, Jasmin und einem Orangenbäumchen bepflanzte Terrasse. Ich beuge mich über die Brüstung, unter mir rasen Autos, Motorräder und Motorini, über mir breitet sich ein schmerzhaft ins Auge stechender blauer Himmel aus.
    Sehr schön so weit. Nur: Was ist mit dem » Blick auf den Petersdom«, den die Anzeige versprach?
    Ich spähe in alle Richtungen– den Petersdom sehe ich nicht. Nicht hinter den vielen Antennen da oben auf den Dächern, nicht hinter den hübsch bepflanzten Balkonen meiner Nachbarn. Da ich nicht davon ausgehe,
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