Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madonna, ein Blonder!

Madonna, ein Blonder!

Titel: Madonna, ein Blonder!
Autoren: M Zöller
Vom Netzwerk:
Schlaraffenland.
    Auf der langen Seite des L befindet sich die Kaffeebar, wo sich das Kerngeschäft abspielt, und ganz hinten, an der Maschine, steht dieser Dino, weißhaarig, kugelrunde Knopfaugen, allerdings nicht im Jogginganzug wie gestern, sondern höchst elegant mit faltenlosem weißem Hemd, roter Weste und roter Fliege, das Rot von goldenen Äderchen durchzogen. Heute sieht er fast aus wie Sean Connery.
    Nur dass ihm nicht Kugeln, sondern Bestellungen um die Ohren fliegen. » Un Caffè!« kommt von links, » Caffè lungo!« von rechts, » Caffè macchiato!« von dort, » Due Cappuccini!« von hier. » Einen Cappuccino ohne Schaum«, ruft eine Dame, während eine andere ihren mit lauwarmer Milch möchte– ein Sonderwunsch jagt den nächsten bis hin zu der Bestellung eines Mannes, » Espresso im Glas«, woraufhin er ein mit Kaffee gefülltes Schnapsglas vorgesetzt bekommt. Offenbar ordert niemand in Rom einfach » einen Kaffee«. Man nimmt ihn individuell zu sich: besonders heiß, kalt, lauwarm, stark, schwach, geschäumt oder nicht geschäumt.
    So, und jetzt will ich auch einen Kaffee, fürs Erste soll es mir egal sein, ob gerührt, geschüttelt oder sonst wie. Ich schiebe mich vor an den Tresen. Ein Mann versucht, Dino mit einem Kassenzettel in der Hand auf sich aufmerksam zu machen. Ich schaue auf den Zettel und dann auf den Mann, der ihn hält. » Scontrino!«, sagt er und zeigt zur Kasse. » Ticket-e!«
    Ich nicke. Natürlich, so ist das in Italien: erst zahlen, dann essen. Ein kompliziertes System. Ich will gerade zur Kasse, als eine junge Frau die » Papagallo«-Bar betritt.
    Hätte ich schon eine Tasse in der Hand gehabt, sie wäre mir jetzt auf den Boden gekracht. Denn die Frau, die gerade zur Tür hereinspaziert, ist niemand anders als die Reiseleiterin von » Huber-Reisen«. Die junge Frau mit den halblangen dunklen Haaren, die mich an meinen Jugendschwarm Giovanna erinnert.
    Ich kann es kaum glauben und fasse nur einen einzigen gescheiten Gedanken, den aber umso bestimmter: Ich beschließe– sollte sie mich sehen und sollten wir uns unterhalten–, sie umgehend zu fragen, ob sie mich heiraten will.
    Was ich mich natürlich nicht traue. Denn diese Giovanna plus 20 Jahre sieht mich und meinen sicher nicht sehr intelligenten Blick, fängt an zu lachen und sagt: » Oh…, du warst gestern am Bahnhof… Ciao! Was macht dein Bierkrug?«
    Ach ja, der Bierkrug. Ich hatte den Gedanken an den so herzlos an den Taxifahrer weitergegebenen Fresskorb und dessen Inhalt schon verdrängt und höre mich etwas stammeln wie: » Bierkrug? Äh, kaputt!«
    Giovanna plus 20 Jahre schiebt ihre Unterlippe nach vorne: » Tut mir leid«, sagt sie und sieht sehr niedlich dabei aus.
    Wir stellen uns vor. Sie heißt Elisa.
    Elisa, also. Das ungeduldige » Prego!« der Kassiererin, das mir zu verstehen gibt, ihr bitte endlich meine Wünsche zu nennen, reißt mich aus süßen Gedanken. » Un cappuccino e un cornetto«, sage ich hastig – ich will dem süßen italienischen Frühstück eine Chance geben. Ich halte der Kassiererin einen 20-Euro-Schein hin. Die Frau schaut mich entsetzt an:
    » Hast du kein-e Spitsch?«
    Spi… was?
    » Spitsch«, wiederholt sie und fügt ungeduldig hinzu, » small-e money-e, klein-e Geld-e.«
    Gut, 20 Euro sind 20 Euro, ein Schein zwar, aber doch kein wirklich großes Geld. Ich krame umständlich Münzen hervor, die Kassiererin macht » Eeeh!«, was ich als » Na siehste, wusst ich’s doch!« interpretiere, und reicht mir den scontrino, den Kassenzettel. So, jetzt komme ich vielleicht endlich zu einem Kaffee.
    Aber wo ist Elisa? Schade, sie hat sich leider bereits ans andere Ende der Bar vorgearbeitet, wo sie jetzt von diesem Dino mit » Ciao, bellissima!« begrüßt wird. Ich verzichte darauf, hinterherzudrängen, doch der Barmann sieht mich auch so:
    » Ciao, biondo«, ruft er. Ich seufze: schon wieder diese Anspielung auf meine Haare.
    Allmählich fühle ich mich diskriminiert. Soll ich ab morgen Mütze tragen? Aber ich verzichte auf einen Kommentar.
    » Ciao, Dino«, sage ich nur und bestelle bei ihm Cappuccino und Cornetto.
    » Va bene, biondo?« Alles klar, Blonder?
    Ich überlege. Soll ich hier gleich mal eines klarstellen: » Ich bin nicht der biondo für dich!«, oder mir stattdessen etwas auf diese individuelle Anrede einbilden? Denn alle anderen begrüßt Dino nach dem gleichen Schema: die Männer mit » Ciao, caro/carissimo!« und die Frauen mit » Ciao, bella/bellissima!«. Auch wenn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher