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Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals

Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals

Titel: Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
Autoren: Erica Spindler
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lebendig. Es war ihr zehnter Geburtstag, der Tag, an dem ihre Eltern ihr schonend und liebevoll eröffnet hatten, dass sie von ihnen adoptiert worden war.
    Rachel erinnerte sich an den Schock, als wäre es erst gestern gewesen. Am Boden zerstört, war sie auf ihr Zimmer gerannt. „Ich bin keine Spaulding“, hatte sie geschluchzt. Sie war jemand, den man abgelehnt hatte, ein Niemand, den man achtlos weggeworfen hatte.
    Ihren Eltern wollte sie nicht zuhören, stattdessen hatte sie sich an den Ort zurückgezogen, an dem sie sich wirklich sicher fühlte – die Weinberge. Grandma hatte sie dort gefunden, wie sie auf der Erde saß, den Blick voller Selbstmitleid auf die Berge gerichtet. Hannah hatte sich zu ihr gesetzt und mit ihrer sanften Stimme das erklärt, was Rachel von ihren Eltern nicht hatte hören wollen.
    „Niemand hat dich weggeworfen“, hatte sie gesagt und das lange, braune Haar aus Rachels verheultem Gesicht gestrichen. „Deine biologische Mutter war gerade mal siebzehn Jahre alt, als sie bei der Geburt starb. Dein Vater war damals nicht viel älter, und er hatte eine entsetzliche Angst davor, sich ganz allein um ein Baby zu kümmern. Also hatte er dich in die Obhut von fürsorglichen Nonnen gegeben, Frauen, von denen er wusste, dass sie für dich ein gutes Zuhause finden würden. Und das haben sie gemacht.“ Sie hatte Rachel an sich gezogen und angefügt: „Mein Gott, wir könnten dich nicht stärker lieben, wenn du unser eigen Fleisch und Blut wärst.“
    „Annie liebt mich nicht“, hatte Rachel trotzig gesagt. „Sie hasst mich.“
    Grandma hatte den Kopf geschüttelt. „Annie liebt dich auf ihre Art. Eines Tages werdet ihr das beide erkennen.“
    Rachel hatte sich seit diesem Abend nie wieder wie eine Verstoßene gefühlt. Sie hatte sogar gelernt, sich gegen Annie zu behaupten, was nicht so einfach gewesen war. Aber erst viele Jahre später, als sie in die Fußstapfen von Hannah und Annie getreten und ein fester Teil von Spaulding Vineyards geworden war, hatte sie sich wirklich wie eine Spaulding gefühlt.
    Was waren wir drei doch für ein Team, dachte Rachel zurück. Hannah mit ihrer unglaublichen Begabung für die Weinherstellung, Annie mit ihrem Händchen für die Vermarktung der Spaulding-Weine und sie selbst mit ihren Zukunftsvisionen. Eine örtliche Zeitung, die von so viel Talent beeindruckt gewesen war, hatte ihnen den Spitznamen „Spauldings unglaubliches Trio“ gegeben.
    Und jetzt bestand dieses unglaublich Trio nur noch aus zwei Personen.
    Ich hätte mehr auf ihre Gesundheit achten sollen, dachte Rachel, die mit einem Mal von Schuldgefühlen geplagt wurde. Ich hätte darauf drängen müssen, dass sie noch weniger Stunden in der Woche auf dem Weingut arbeitet. Stattdessen habe ich ihr auch noch kleine, unbedeutende Probleme aufgehalst, die ich allein hätte lösen sollen. Oh, Grandma.
    Ihr Herz schmerzte vor Trauer, während sie den Kopf gegen den Sitz presste und die Augen schloss. Du fehlst mir schon jetzt.
    Annie war völlig allein in dem Haus, in dem sie aufgewachsen war. Sie saß in Grandmas altem Schaukelstuhl und starrte in das Feuer, das die Haushälterin Ming Augenblicke zuvor entzündet hatte. Auch wenn die Tage im Oktober brütend heiß sein konnten, waren die Nächte im Tal oft kühl, und Grandma hatte immer auf einem Kaminfeuer bestanden.
    Grandma. Sie ist von mir gegangen, dachte Annie, während sie spürte, dass ihr erneut Tränen in die Augen schossen. Niemals wieder würde sie Hannahs von Herzen kommendes, mitreißendes Lachen hören und auch nicht das vertraute Geräusch ihres Stocks, wenn sie durch den Flur ging.
    Von klein auf hatte sich Annie auf unerklärliche Weise mit Hannah verbunden gefühlt. Sie war nicht nur die geliebte Großmutter, sondern auch ihre beste Freundin gewesen, die eine Person, die sie wirklich verstanden und bedingungslos geliebt hatte. Sicher, sie waren immer wieder mal verschiedener Meinung gewesen. Grandma konnte manchmal so stur sein, aber Annie konnte sich noch so dumm anstellen, sie verzieh es ihr stets.
    Annies Blick schweifte durch den vornehm eingerichteten Salon, während sie daran dachte, dass Grandma ihr in genau diesem Zimmer durch eine der schwierigsten Phasen ihres Lebens geholfen hatte: die Ankunft eines Babys.
    „Mom und Dad lieben mich nicht mehr“, hatte sie zu Grandma gesagt, nachdem Helen und Jack drei Tage zuvor Rachel aus dem Waisenhaus mitgebracht hatten. Mit dem Schürhaken hatte sie wütend auf die brennenden
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