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Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition)
Autoren: Moritz Netenjakob
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messe ich das Niveau meiner Konversation seit über 30 Jahren mit den Maßstäben meines Vaters?! Sicherlich, Hans-Magnus Enzensberger und Wim Wenders werden ihre Rendezvous nicht mit einem Satz wie »Du siehst auch voll cool aus« beginnen. Aber was hat das mit mir zu tun? Warum zum Teufel soll ich meine Energie bei einem Date mit einer Blondine, deren IQ wahrscheinlich unter 80 liegt, mit dem Ersinnen von intelligenten Sätzen verschwenden?! Eigentlich ist der Satz »Du siehst auch voll cool aus« perfekt.
    »Echt, du hast voll den anderen Style, Daniel, echt geil, voll männlich irgendwie. Geil!«
    »Danke. Ich finde auch, dass das so männlichkeitstechnisch ... äh, voll cool rüberkommt, irgendwie.«
    Eigentlich finde ich es peinlich, wenn man als 33-Jähriger versucht, sich sprachlich jugendlich auszudrücken. (Das erbärmlichste Beispiel dieser Art gab es bei der Deutschen Grand-Prix-Vorausscheidung 1998, als Bernd Meinunger und Ralf Siegel vergeblich versuchten, sich durch Anbiedern beim jungen Publikum gegen Guildo Horn zu behaupten, unter anderem mit der Zeile Cool sein musst du, sonst bist du out. Dazu bewegten sich im Hintergrund ein paar 16-jährige Streber in C&A-Klamotten, als wäre ihr Religionslehrer der Choreograf gewesen. Wenn es damals schon die Zlatko-Skala gegeben hätte, wäre es eine 0,99 gewesen.)
    Aber heute Abend, hier im Magnus, habe ich alle Ansprüche über Bord geworfen. Ein sprachlicher Anbiederungsversuch ist ja nur dann peinlich, wenn er vom Gegenüber bemerkt wird. Und davon ist Viviane weit entfernt. Sie gibt alle Signale, die im Lifestyle-Bereich der GMX-Homepage als Beweise für den erfolgreichen Verlauf eines Dates genannt wurden: Sie zeigt ihren Hals, sie streicht sich durch die Haare, ihre Pupillen sind vergrößert (das könnte natürlich auch an Drogen liegen), sie sucht Körperkontakt.
    Als ich Viviane gerade begeistere, indem ich Interesse für die Ehe von Marc Terenzi und Sarah Connor heuchle, kommt Emine zu unserem Tisch.
    »Hey, Daniel! Das ist ja 'ne Überraschung!«
    Wir begrüßen uns mit Küsschen und einer Umarmung, die etwas zu lange dauert für zwei, die nur gute Freunde sind. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Viviane Emine hasserfüllt ansieht. Es läuft einfach perfekt. Ich fühle mich schon wieder wie ein Hengst. Habe ich vorhin noch geweint? Lächerlich.
    »Du, Daniel, ich hab das mit Aylin gehört. Tut mir total leid, echt.«
    »Tja. That's life.«
    Habe ich gerade »That's life« gesagt? Ja, das habe ich. Na und? Eigentlich sind Anglizismen cool. Und Rüdiger Kleinmüller wäre stolz auf mich. Viviane bestellt eine Piña Colada, ich einen Blue Lagoon. Emine geht zurück zur Bar; ich zwinkere ihr zu, sie zwinkert zurück. Ich hatte ganz vergessen, wie schön Flirten ist. Da werden Endorphine ausgeschüttet. Flirten ist das beste Mittel gegen Trennungsschmerz. Besser als Monster Metal Power Ballads und besser als das blöde Tagebuch. Ich glaube, ich mache Schluss mit meiner Therapeutin.
    Mein Flirt mit Emine scheint Viviane in dem Urteil bestätigt zu haben, dass ich begehrenswert bin. Sie ist näher an mich herangerückt und berührt beim Reden immer öfter meinen Unterarm. Mein Adrenalinpegel bewegt sich auf die Berliner Höchstmarke zu. Warum sollte es mich stören, dass Viviane ziemlichen Blödsinn redet?
    »Die Balladen von Marc Terenzi gehen total unter die Haut, ehrlich, und die Texte sind auch irgendwie voll tiefsinnig, wenn man da mal drüber nachdenkt. Und dann sieht er auch noch voll schnuckelig aus, obwohl der ja bei Sarah ziemlich unterm Pantoffel steht... Aber Love to be loved ist hundertpro das schönste Liebeslied aller Zeiten, ey, ich hab so geheult, wie der da am Strand am Klavier saß, ey, das war sooo süß, echt...«
    Auf welchem Stand ihrer emotionalen Entwicklung befindet sich eine Frau, die Love to be loved von Marc Terenzi für das schönste Liebeslied aller Zeit hält? Wohl irgendwo zwischen Kindergarten und erstem Poesiealbum. Wahrscheinlich klebt sie Diddl-Mäuse auf ihre Liebesbriefe. Sollte ich nicht mehr Respekt vor einer Frau haben, mit der ich wahrscheinlich eine sexuelle Beziehung aufnehmen werde? Ich glaube nicht. That's life. In diesem Momentvibriert mein Handy. Ich schaue auf das Display. Es ist Lysa. Ich entschuldige mich kurz bei Viviane und gehe raus.
    »Ja?«
    »Hi, Daniel, Lysa hier. Ich wollte nur mal fragen, ob's dir besser geht.«
    »Ja, danke, mir geht's besser. Viel besser ... Ich würde sogar sagen:
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