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Machen Sie sich frei Herr Doktor!

Machen Sie sich frei Herr Doktor!

Titel: Machen Sie sich frei Herr Doktor!
Autoren: Richard Gordon
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unbeugsam. Nicht umzustimmen. Ich hatte sogar den Eindruck, er sei der Meinung, daß ich schon viel zu lang in St. Swithin gewesen wäre. Der Bischof gehört zu den Progressiven, wissen Sie. Er wird eine Menge Staub aufwirbeln.«
    »Ich bin überzeugt, daß Whitstable Ihnen gefallen wird. Im Winter ist es vielleicht ein wenig rauh.« Energisch führte der Dean seinen Besucher zur Haustür. Er wollte um jeden Preis vermeiden, in den subtilen Komplex der Kirchenpolitik hineingezogen zu werden. »Sie müssen mir ein paar Austern schicken.« Der Kaplan sah ihn verständnislos an. »Von Whitstable. Dort gibt es doch überall Austern, nicht? Ich liebe Austern, aber in einem Londoner Restaurant kann man keine bestellen. Viel zu teuer. Ich nehme an, Sie werden die Austern einfach am Strand aufklauben.« Der Dean schüttelte nochmals seine Hand. »Passen Sie gut auf sich auf. Und sehen Sie zu, daß Sie einen netten Kassenarzt bekommen.«
    Auf der Treppe zur Eingangstür blieb der Kaplan stehen. »Es tut mir leid, daß ich Ihnen meinen Nachfolger nicht vorstellen konnte. Unsere Wege haben sich irgendwie nicht gekreuzt. Er ist viel jünger als ich - natürlich. Ein Mr. Becket. Thomas Arnold Becket. Der Bischof scheint große Stücke auf ihn zu halten.«
    Der Dean traf Anstalten, die Tür zu schließen. »Bin sicher, daß ich gut mit ihm auskommen werde.«
    Der Kaplan setzte seinen Strohhut auf. »Gott segne Sie, Sir Lionel.«
    »Und... äh, Sie auch. Leben Sie wohl.«
    Während der Kaplan schwerfällig die vier Steinstufen hinunter auf den Gehsteig schritt, schüttelte er den Kopf und murmelte etwas vor sich hin. Der Dean glaubte das Wort »Austern« zu hören.

2

    »Man hat den alten Nosworthy anscheinend hinauskomplimentiert.«
    Der Dean ging die paar Stufen hinunter, die von dem Vorraum in die große helle Küche führten; sie lag im Hinterhaus, auf gleicher Ebene mit einem kleinen Garten voller Sommerblumen. Der gepflegte Rasen endete an einer hohen Backsteinmauer, die seit Jahrhunderten die Grenze des Spitals gebildet hatte. Jetzt aber wurde sie von einem strahlend neuen Glas- und Betonturm von dreißig Stockwerken überragt, der, wie Sir Lancelot Spratt, des Deans Nachbar zur Linken, klagte, dessen Rosen ruinierte.
    »Aber warum er am frühen Morgen hereinplatzen muß, um mir das mitzuteilen, begreife ich nicht«, fügte der Dean hinzu.
    Seine Frau Josephine, in einem grünen Hauskleid, sah vom Herd auf. Sie war wesentlich jünger als er, freundlich, mit grauen Augen, weichen Lippen und einem üppigen Busen. »Das mußt du doch wissen, Lionel? Samantha und alle anderen Mitglieder der >Liga der Freunde von St. Swithin< haben eine Sammlung veranstaltet, um ihm einen gravierten Silberteller zu schenken. Ich habe fünf Pfund vom Wirtschaftsgeld gespendet.«
    »Fünf Pfund?« Der Dean setzte sich auf einen Hocker vor den mit einer rosa Kunststoffplatte belegten Küchentisch und schlug seinen Morgenmantel um die mageren Schenkel. »Warum muß die >Liga der Freunde von St. Swithin< Nosworthy mit Silber ausstatten? Ich dachte, ihr kümmert euch hauptsächlich darum, ob die Patienten ihr Testament richtig aufsetzen und genug Obst bekommen und solche Sachen.«
    »Lionel, in letzter Zeit scheinst du morgens immer schlecht gelaunt zu sein. Du solltest doch wissen, daß die Liga seit Jahren für die Spitalskapelle verantwortlich ist. Und seit Samantha Dougal den Vorsitz übernommen hat, ist es sogar eine sehr aktive Verantwortung geworden.«
    Der Dean schwieg. Josephine hatte schon des öfteren bemerkt, daß er einsilbig wurde oder das Thema wechselte, wann immer sie seine Schwägerin erwähnte. »Nun, ich bin nicht unglücklich, Nosworthy gehen zu sehen. Möchte nicht wissen, wie viele Infektionen er mit diesem Anzug übertragen hat. Außerdem verstehe ich persönlich überhaupt nicht, wozu das Spital einen Geistlichen braucht. Die Leute könnten doch endlich einsehen, daß die moderne Medizin eine rein wissenschaftliche Angelegenheit ist. Wir haben seit den Tagen des Schwarzen Todes zweifellos einige Fortschritte gemacht.«
    »Sicher ist es für moderne und wissenschaftlich eingestellte Ärzte wie du ein großes Ärgernis, daß die Patienten darauf bestehen, die gleichen Menschen zu bleiben, die sie immer waren.«
    Der Dean brummte. »Jedenfalls habe ich es meinen medizinischen Kenntnissen und nicht einem sentimentalen Gerede am Krankenbett zu verdanken... oder werde es im Herbst zu verdanken haben, wenn alles gutgeht, daß ich...
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