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Macabros 112: Totenheer "Nekromos"

Macabros 112: Totenheer "Nekromos"

Titel: Macabros 112: Totenheer "Nekromos"
Autoren: Dan Shocker
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Adresse?«
    Sie kam langsam näher. Die winzige Diele war eingerichtet wie
eine Puppenstube.
    »So meinte ich das nicht, Eve«, schüttelte Stuart
Mayburry den Kopf. »Betsy wohnt nirgends mehr. Sie ist
tot…«
     
    *
     
    Wie unter einem Peitschenschlag zuckte sie zusammen.
    »Ich… verstehe… überhaupt nichts mehr,
Stuart…« Der Boden unter ihren Füßen schien
plötzlich wellenförmig auf- und abzugehen. »Ich
muß… mich setzen… Ich glaube, mir wird…
schwindelig…«
    Er griff nach ihrem Arm und führte sie ins Wohnzimmer.
    »Sag’ mir, daß das alles nur ein Traum ist,
Stuart…«, sagte Eve abwesend. »Kneif mich in den
Arm… oder schütte mir einen Eimer Wasser über den
Kopf… ich muß merken, daß ich noch lebe, wach
bin… ich habe so meine Zweifel…«
    Eve Taskin ließ sich in einen der weichen Sessel sinken und
starrte auf die Wand gegenüber. An ihr hing ein großes
Gemälde mit buntem Treiben auf einem mittelalterlichen Markt. Im
Hintergrund auf einem bewaldeten Hügel stand eine trutzige Burg,
umgeben von gewaltigen, uneinnehmbaren Mauern. Auf den Türmen
wehten bunte Fahnen.
    Das Leben in den Gassen und auf dem Marktplatz war fotografisch so
genau eingefangen, als wäre Betsy Holborn Augenzeugin gewesen.
Damals, vor vier- bis fünfhundert Jahren…
    Ein zweites Bild zeigte eine andere düstere Szene aus jener
Zeit. Die Menschen hatten sich versammelt, um einer Hinrichtung
beizuwohnen. Für die Bewohner jener namenlosen Stadt war das ein
Volksfest. Mitten auf dem Marktplatz war ein Scheiterhaufen
errichtet, der in Flammen stand. An den Mast gebunden stand ein
junges Mädchen, schön, zart und zerbrechlich wie eine
Porzellanpuppe.
    Die Flammen hatten ihr Gewand bereits ergriffen, die Menge
jubelte.
    Eve Taskins Augenschlitze wurden schmal.
    Sie hatte das Bild noch nie gesehen, obwohl sie schon viele Male
zu Gast in diesem Haus war. Offenbar handelte es sich um ein erst
kürzlich vollendetes Werk.
    Es war vor allem die Darstellung der brennenden Hexe, die sie in
Bann zog.
    Der Körper, das Gesicht… Dies war das Ebenbild von Betsy
Holborn!
     
    *
     
    Sie hatte sich selbst in den Mittelpunkt eines grausigen
Geschehens gestellt.
    Eve Taskin schluckte und deutete auf das Bild. »Das ist…
Betsy, nicht wahr, Stuart?«
    »Ja.«
    »Aber… warum hat sie sich… so
dargestellt?«
    »Künstler kommen manchmal auf komische Gedanken. Sie
nennen das ›künstlerische Freiheit‹…«
    Eve Taskin schüttelte unwillkürlich den Kopf. »Sie
hat sich etwas dabei gedacht… wie sie sich bei allem etwas
dachte, was sie malte… Man müßte sie fragen
können… aber sie ist tot. Ich kann es… noch immer
nicht fassen…«
    »Hier, trink’ das«, Mayburry reichte ihr ein Glas,
mechanisch griff sie danach – und hielt plötzlich inne.
    »Was ist das?«
    »Whisky. Er wird dir gut tun…«
    Eve führte das Glas an die Lippen. Der herbe Geruch stieg ihr
in die Nase. Die junge Frau trank. Wie flüssiges Feuer rann es
ihre Kehle hinab.
    Das flaue Gefühl schwand auf Anhieb. In der Magengegend wurde
ihr merklich wärmer.
    »Betsy hatte eine Mutter, Stuart… Wo ist sie… Sie
müßte doch hier im Haus…«
    »Ist sie nicht mehr. Die alte Dame bekam einen
Nervenzusammenbruch, als sie vom Tod ihrer Tochter erfuhr. Sie wurde
in ein Sanatorium eingewiesen.«
    »Wieso habe ich von alldem… nichts erfahren?«
    »Wer hätte dich unterrichten sollen, Betsy?«
    »Ja, da hast du recht… sie hatte nur wenige Bekannte und
Freunde… und die wiederum wußten nichts voneinander. So
zurückgezogen wie sie lebte, so zurückgezogen starb
sie… Ist dir etwas über die Todesursache bekannt?«
    »Sie wurde ermordet, Eve!«
    Eiskalt lief es ihr über den Rücken. Jener unbekannte
Mörder, der London verunsicherte und den die Polizei suchte wie
die obligate Stecknadel im Heuhaufen…
    »Aber dann hätte es doch in der Zeitung stehen
müssen.«
    »Hat es auch, Eve. Doch die Polizei hat bisher keinen Namen
der Opfer veröffentlicht, wie du weißt.«
    »Und Betsy… ausgerechnet Betsy… befindet sich
darunter…« Sie redete schwach und mit belegter Stimme, und
alles kam ihr unwirklich vor. »Vor einer Woche ist es
passiert… mich wundert es, daß dann die Tür des
Hauses nicht versiegelt ist und die Polizei deine Anwesenheit hier
zuläßt.«
    »Was sollte sie daran hindern, Eve? Der Mord ist nicht im
Haus passiert. Er ereignete sich in der Nähe des Friedhofes, als
Betsy einen abendlichen Spaziergang unternahm. Zu diesem
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