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Macabros 009: Blutregen

Macabros 009: Blutregen

Titel: Macabros 009: Blutregen
Autoren: Dan Shocker
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wischte über den Fleck, betrachtete seine
Fingerkuppe. Sie war rot.
    Es tropfte aus der Decke, als würde etwas durchgepreßt.
Das Licht der Windlampe war zu schwach, um Einzelheiten
wahrzunehmen.
    Doch so viel konnte man sehen: Spritzer auf dem Bettzeug, auf den
Bilderrahmen, auf den Möbeln.
    Überall.
    Seine Hände wurden mit roten, klebrigen Flecken bedeckt.
    Und dann…
    Etwas drang zwischen seine Schulterblätter. Heiß und
mächtig drang es in seinen Körper. Er stand erstarrt und
begriff nicht, was sich abspielte.
    Ein zweiter Stoß traf ihn.
    John Corkshere taumelte nach vorn.
    Blut quoll zwischen den Lippen hervor, Blut floß aus tiefen
Stichwunden über seinen Körper.
    Der alte Mann fiel quer über das Bett. Er gurgelte dumpf,
schaffte es noch einmal mit letzter Kraft, sich herumzudrehen. Die
brechenden Augen sahen eine Gestalt, die vor ihm im Zimmer stand, in
einem weißen, blutverschmierten Nachtgewand. Sie hielt ein
langes, blutbesudeltes Messer in der Hand.
    »G-l-a-d-i-s-?« hauchte er mit ersterbender Stimme.
    Seine Tochter – seine Mörderin?
    Er verstand nichts mehr.
    Sein Kopf fiel zur Seite, seine Rechte, die noch immer die
Öllampe hielt, entkrampfte sich. Die Lampe fiel zu Boden. Das
Glas zersprang, das Öl lief aus. Kleine Flammen züngelten
über den ausgetrockneten Lehmboden.
    Die Mörderin verließ das Zimmer. Wie in Trance, ohne
die geringste Regung auf ihrem schmalen Gesicht ging Gladis Corkshere
die Treppen nach unten.
    Sie verließ das Haus, ohne auch nur einen einzigen Blick
zurückzuwerfen. Der Wind fuhr in ihre Haare, die kalte, feuchte
Nachtluft drang durch ihr dünnes Gewand.
    Gladis Corkshere verschwand in den finsteren Wäldern, die in
den frühen Apriltagen des Jahres 1672 noch große
Flächen vor den Toren Londons bedeckten.
    Man hat das Mädchen nie wiedergesehen.
     
    *
     
    Was sich damals wirklich ereignete, weiß heute niemand
mehr.
    Dreihundert Jahre sind eine lange Zeit, und die kleinen Dinge, die
sich im Verborgenen abspielen, werden in den Geschichtsbüchern
nicht vermerkt.
    Dabei steckt in den kleinen Geschehnissen – würde man
ihnen auf den Grund gehen – oft mehr Dynamit, als in den Dingen,
welche die Menschen so wichtig nehmen.
    Doch nicht alles wird vergessen.
    Es gibt Menschen, die können zwischen den Zeilen lesen. Sie
bemühen sich, die Schleier zu lüften, die über
schicksalsbedingten Ereignissen liegen, von denen eine
größere Öffentlichkeit niemals erfahren hat.
    Im Falle von Christopher Baring war es so, daß er sich schon
als junger Mann für das alte, hinter einem morschen Bretterzaun
liegende Haus interessiert hatte, das rund zwanzig Meilen westlich
von London lag.
    Wenn er mit dem Bus oder dem Wagen die Straße nach London
fuhr, hatte er immer wieder einen Blick auf das ein wenig abseits
liegende Haus mit den spitzen Giebeln geworfen.
    Anfangs hatte er vermutet, daß dies ein Überbleibsel
des zweiten Weltkrieges war. Es gab Einschlaglöcher hinter dem
Zaun, die auf Bomben schließen ließen.
    Eines Tages hatte er sich erkundigt, und er erfuhr, daß man
es »Cork’s House« nenne. Was das bedeutete,
wußte niemand. Auch wem es gehörte, konnte erzunächst
nicht herausfinden. Nur eines stand fest: dieses Haus war verrufen.
Es war ein Geisterhaus.
    Solange man zurückdenken konnte, war es nicht bewohnt
gewesen. Es stammte aus dem siebzehnten Jahrhundert.
    Durch eine andere Quelle erfuhr Baring eines Tages durch Zufall,
daß das Haus schon einige Male zum Verkauf angeboten worden
war. Das lag schon viele Jahre zurück. Niemand hatte es haben
wollen.
    Dies wußte ein alter Mann zu erzählen, der neunzig
Jahre alt war. Aber durch ihn erfuhr Baring leider nicht mehr. Der
Alte starb, bevor weitere Nachforschungen erfolgen konnten.
    Schicksal und Herkunft von »Cork’s House«
interessierten ihn. Er ertappte sich dabei, daß er an der
betreffenden Stelle extra langsam fuhr, um länger
hinübersehen zu können. Vor und hinter dem Zaun standen ein
paar alte verkrüppelte Bäume. Die Latten und Bohlen waren
schimmelig und moosüberwachsen.
    »Cork’s House« war ein Relikt aus einer anderen
Zeit. Das große Grundstück lag wie eine Insel zwischen den
Häusern der Gegenwart.
    Christopher Baring arbeitete in einem kleinen Institut
außerhalb Londons, das sich mit parapsychologischen
Phänomenen beschäftigte und den Nachweis zu erbringen
versuchte, daß der Geisterglaube auf Tatsachen zurückging,
was man jedoch nur noch nicht immer belegen konnte.
    Es
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