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Lux Aeterna (German Edition)

Lux Aeterna (German Edition)

Titel: Lux Aeterna (German Edition)
Autoren: Carol Grayson
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    In der abgedunkelten Klosterzelle träumte ein zartes Geschöpf mit goldblonden Locken und himmelsblauen Augen einer ungewissen Zukunft entgegen. Ihre Haut, so durchscheinend, dass man die bläulichen Adern darunter erahnen konnte, schien im Dämmerlicht von innen heraus zu leuchten. Dieses Geschöpf besaß zudem besondere Fähigkeiten. Es schrie schon längst nicht mehr, wenn es Hunger hatte. Es rief die Schwestern in Gedanken zu sich. Diese und viele andere Fähigkeiten würden sich mit zunehmendem Alter entwickeln und dem kleinen Mädchen mehr und mehr Macht verleihen. Macht über viele, wenn nicht alle Lebewesen und über die Untoten!
    An ihrer Zeugung waren Himmel und Hölle beteiligt und beide würden weiterhin um sie kämpfen. Aber jedem vernunftbegabten Lebewesen, ganz gleich ob mit oder ohne Seele, war vom Schöpfer der eigene freie Wille gegeben worden, und auch Ayleen würde sich eines Tages entscheiden müssen, auf welcher Seite ihr Platz war. Von Ferne hallten die leisen Gebete der Abendmesse zu der abgelegenen Zelle herüber und der melodische Gesang der Schwestern hüllte das Kind in einen beruhigenden Schlaf.
     
     
    * * *
     
     
    Die Londoner Straßen hatten sich wieder einmal in einen dieser dicken, filzgrauen Nebelschleier gehüllt. Die Passanten konnten kaum die Hand vor Augen sehen, einzig die Vampire unter ihnen bewegten sich mit zielgenauer Sicherheit. Der eine oder andere von ihnen konnte nicht widerstehen, ein menschliches Opfer aus der Menge mit einem sanften Kuss in seine Arme zu locken. Das war ein Wetter, wie es die Schattenengel liebten.
    Auch Jason und Leander bewegten sich mitten unter ihnen, unterwegs zum Treffpunkt am Ende der Southwark Bridge. Jason konnte den Geistlichen schon von weitem wittern. Er roch nach Weihrauch und Tod. Eine Mischung, die seinesgleichen durchaus anziehend fand. Die drei trafen aufeinander, ohne sich zu grüßen.
    „Gehen wir ein Stück“, schlug Leander vor.
    Pryce fühlte sich seinem Ziel schon denkbar nahe. Am Ufer der Themse unter einer der alten gusseisernen Laternen blieb die kleine Gruppe stehen. Weit und breit war kein Mensch zu hören oder gar zu sehen, erst recht nicht bei diesem Wetter.
    Der Kardinal überreichte Leander einen Schuhkarton, in dessen Inneren das Einhorn in Packpapier umhüllt lag. „Reicht Ihnen das als Beweis?“, fragte Pryce.
    Leander nickte und zeigte den Inhalt dem Fürsten der Neuzeitvampire.
    „Und was ist jetzt mit meiner Belohnung?“ Etwas Lauerndes lag in der Stimme des Geistlichen.
    „Jason wird sie nicht wandeln“, gab Leander zur Antwort. „Aber vielleicht wollen Sie sich mir anvertrauen?“ Der Halbengel öffnete den Mund und zeigte ihm die verlängerten Reißzähne, die auch er trug, allerdings nicht, um zu töten. Aber der Anblick reichte aus, um den Menschen dort vor ihnen zurückweichen zu lassen. Der Kardinal hätte nie gedacht, dass ein Engel diese Waffen der Untoten ebenfalls besitzen könnte! Diese kleine Schwäche reichte Jason aus, die Gedanken des Geistlichen für einen kurzen Augenblick zu durchforsten. Was er sah, war eine Kathedrale, die er kannte – Exeter. Dann folgte das Bild eines weiteren romanischen Gebäudes, in dem sich Frauen in langen, schwarzen Gewändern befanden – ein Kloster. Aber davon gab es viele in England.
    „Was – sind – Sie?“, stotterte der Kardinal, während er sich langsam von seinem Schrecken erholte. „Etwas, das sie nie begreifen werden! Wo ist das Kind?“ Leanders Haltung war nun fast drohend. Bei dieser Frage kehrte das Selbstbewusstsein des Geistlichen zurück. Richtig! Diese beiden da waren ja auf ihn angewiesen
    „Das werde ich Ihnen erst sagen, wenn Sie meiner Bitte entsprochen haben. Und jetzt geben Sie das wieder her.“ Pryce riss dem Halbengel den Schuhkarton aus den Händen und rannte hinein in den Nebel. Jason wollte hinter ihm her, aber der Halbengel hielt ihn zurück.
    „Lass ihn, er weiß gar nicht, was er da in den Händen hält!“
    „Dann bete, dass er es nicht irgendwann herausfindet.“ Jason blickte seinen Freund zweifelnd an.
    „Er braucht uns genau so wie wir ihn“, beruhigte ihn Leander. „Sag mir lieber, was du in seinen Gedanken gefunden hast.“
     
     
    * * *
    Leanders Plan war denkbar einfach. Der Kardinal sollte sie zu dem Versteck des Kindes führen. Er würde keinen der Hybridenvampire von einem Menschen unterscheiden können und einer von Jasons Bandkollegen würde fortan immer in seiner Nähe bleiben. Pryce
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