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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
Autoren: Karin Wahlberg
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Wenn sie anfing, in diesen Prachtwerken zu blättern, dann konnte sie sich stundenlang in ihnen verlieren. Was die Menschenhand – im Hinblick auf Teppiche handelte es sich dabei meist um eine weibliche – doch alles vollbringen konnte, das war ganz einfach ein Wunder.
    Am Ende des Regals führte eine Wendeltreppe in den Keller. Das Geschäft war nicht groß, ausgesprochen überschaubar und angenehm.
    Annelie hob den Blick und sah hinaus. Die Straßenecke lag teilweise im Schatten, aber die Sonne fiel immer noch stark auf die Hälfte des einen Schaufensters. Deswegen hatte sie Packpapier auf den Teppichen ausgebreitet, damit sie nicht gebleicht wurden. Sie erhob sich von ihrem Platz am Schreibtisch und rückte das Papier zurecht. Dann überlegte sie, ob sie das Radio anschalten sollte, aber Stille machte förmlich süchtig. Stille war so etwas wie ihre Leibspeise. Die Jahre, die sie sich erfolglos auf einer Vertretungsstelle als Lehrerin in einem lauten Klassenzimmer versucht hatte, hatten sie krank gemacht. Seither war sie mit dem, was sie sich zumutete, vorsichtig geworden.
    Mit verschränkten Armen trat sie ans Fenster und schaute hinaus. Die Passanten trugen Halbschuhe, ihre Jacken hatten sie abgelegt. Sie lächelte, drehte sich zu ihrem Schreibtisch um und versuchte wieder, die italienischen Wendungen auswendig zu lernen. Sie waren ihr schon wieder entfallen. Das passierte ihr viel zu oft. Sie gab sich wirklich Mühe, sich auf ein paar Worte zu besinnen und sie zu einem Satz zusammenzusetzen. Es kam jedoch nur ein verbales Risotto zustande. Sie sah ein, dass sie wohl nie Italienisch lernen würde. Trotzdem gab sie nicht auf. Gewisse Projekte gibt man dummerweise nie auf, dachte sie und starrte auf ein paar Staubkörner, die im Sonnenlicht tanzten.
    Sollte sie das Staubtuch holen? Nein, es gab nicht viel zu putzen, und das hatte bis Montag Zeit. Dann war alles tipptopp, wenn Carl-Ivar Dienstag nach Hause kam. Obwohl er nicht zu den Menschen gehörte, denen auffiel, ob gerade geputzt worden war oder nicht, war es sicher kein Fehler.
    Die Einrichtung des Ladens war schlicht, damit nichts von den Teppichen ablenkte. Der Fußboden bestand aus roten Klinkern, die Wände waren weiß, das war alles. Von den Abgasen draußen merkte man wenig, obwohl Carl-Ivars Teppichgeschäft an einer der befahrendsten Straßen der Stadt lag. Trotzdem fanden alle hierher, die sich einen schönen, qualitativ hochwertigen Bodenbelag wünschten oder einen ihrer Lieblingsteppiche reparieren lassen mussten.
    Der Laden war nicht mit Teppichen überladen. Es verbargen sich auch keine größeren Teppichstapel im Keller, obwohl dort etliche lagen. Die Teppiche waren vereinzelt an den weißen Wänden aufgehängt oder hingen über das Geländer der Kellertreppe. Alles war von ausgezeichneter Qualität, Plunder gab es nicht.
    Früher, als Olssons Teppichgeschäft noch in der Köpmannagatan gelegen hatte, war das anders gewesen. Aber jetzt war Carl-Ivar Rentner, hatte vermutlich einiges zusammengespart und betrieb den Teppichhandel einzig zu seinem eigenen Vergnügen. Des Genusses halber, hatte er einmal Annelie anvertraut, die vermutlich die Einzige sei, die ihn verstehe. Seine Frau interessierte sich nicht sonderlich für Teppiche, und seinen Kindern waren nackte Holzböden lieber. So war das mit Kindern. Aber da ihre eigene Kindheit durchaus nicht von Teppichen geprägt worden war, hatte sie um so größere Freude an ihnen.
    Bei Teppichen handelte es sich wirklich nicht um x-beliebige Einrichtungsgegenstände. Man hatte ein anderes Verhältnis zu einem Teppich als beispielsweise zu einem … Küchenstuhl. Darüber hatte Annelie oft nachgedacht, obwohl sie auch sehr viel für Stühle übrig hatte, vorzugsweise alte.
    Sie versuchte sich einiges anzulesen. Im Übrigen besuchte sie Carl-Ivars Teppichschule. Er hielt keine Vorträge, sondern erläuterte mal hier und mal da ein wenig, wenn es sich ergab, beispielsweise wenn ein Teppich zur Reparatur abgegeben wurde. Es war ihm sehr wichtig, anderen sein Wissen nicht aufzudrängen. Das war heikel, insbesondere bei Kunden. Diese wollten sich nicht belehren lassen. Waren sie Sammler, hielten sie sich ohnehin für Spezialisten. Die Zahl der Sammler war erstaunlich hoch. In der Regel handelte es sich um Männer. So ist es vielleicht, wenn es um große Summen geht, dachte Annelie.
    Der älteste erhaltene geknüpfte Teppich, der Pazyrykteppich, war 2500 Jahre alt und im Permafrost Sibiriens gefunden worden.
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