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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
Autoren: Karin Wahlberg
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Deswegen hatte er auch so viele Jahre überdauert. Die Nomadenfrauen entwickelten die Kunst des Teppichknüpfens. Sie brauchten etwas gegen die Kälte für Zeltwände und -böden, und die Schönheit war ihnen ebenfalls wichtig. Das Gefühl für das Ansprechende und Schöne ist den Menschen offenbar angeboren, dachte Annelie. Die Frauen verwendeten die Wolle der Schafe und Ziegen, spannen sie zu Garn und färbten es anschließend mit Pflanzenfarbe. Dann knüpften oder webten sie entweder nach Gutdünken oder gemäß Stammestraditionen. Die Muster wurden von einer Generation an die folgende weitergegeben.
    Da Orientteppiche aus den verschiedensten Regionen stammten, von der Balkanhalbinsel bis nach China, konnten sie sehr unterschiedlich aussehen. Allein schon eine Vermutung darüber anzustellen, woher ein Teppich kam, stellte ein Abenteuer dar. Dafür waren tiefes Wissen und lange Erfahrung nötig. Annelie sehnte sich danach, zu reisen und die Teppiche vor Ort zu betrachten.
    Auf dem Fußboden vor ihr im Laden lag ein typischer so genannter Dorfteppich mit einem Medaillonmuster in dunkelroten und indigoblauen Farbtönen. Es handelte sich um einen Hamadanteppich, der in einem der unzähligen Dörfer in der Nähe der Stadt Hamadan im nordwestlichen Iran hergestellt worden war. Hier wurden die meisten Teppiche des Landes geknüpft. Diese Teppiche waren aufgrund ihrer soliden Verarbeitung und Strapazierfähigkeit sehr beliebt. Heutzutage wurden jedoch synthetische Farben und keine Pflanzenfarben mehr zum Färben der Garne verwendet. Carl-Ivar fand jedoch nicht, dass dies einen sonderlichen Unterschied machte. Bereits seit etwa 1860 wurden synthetische Farben verwendet. Ein synthetisch gefärbtes Garn konnte ebenso schön sein wie eines mit Naturfarben. Beide konnten abfärben oder »bluten«, wie es im Fachjargon hieß, je nachdem wie das Garn gefärbt war. Der Kettfaden dieser Hamadanteppiche bestand mittlerweile überwiegend aus Baumwolle und nicht aus Wolle, das hatte Annelie ebenfalls gelernt. Bei Nomadenteppichen waren Kettfäden aus Baumwolle hingegen ungewöhnlich, da die Nomadenfrauen das benutzten, was sie zur Hand hatten, und das war die Wolle des eigenen Viehs. Sie waren Selbstversorger, betrieben gelegentlich Tauschhandel, und ihnen fehlte das Geld, um Baumwollgarn zu kaufen.
    Hamadanteppiche gab es in der Regel nur in zwei Größen. Auf dem Klinkerboden des Ladens lag ein kleinerer, ein so genannter Zaronim. Die größeren, die Dosar, eigneten sich für eine Couchgarnitur. Der Teppich, den Annelie täglich überquerte, um zu ihrem Schreibtisch zu kommen, war robust. Er gefiel ihr. Legen Sie sich einen robusten, geknüpften Perserteppich in die Diele, riet sie ihren Kunden. Vor allem empfahl sie das Familien mit kleinen Kindern, die etwas Schmutztolerantes benötigten. Etwas Besseres gebe es nicht. Pflegeleicht, solide und dazu noch schön.
    Orientteppiche ließen sich also grob in drei Gruppen einteilen, je nachdem wo sie hergestellt worden waren: in Nomadenteppiche, Dorfteppiche und Stadt- oder Atelierteppiche, die auch als Manufakturteppiche bezeichnet wurden. Im Unterschied zu den Dorfteppichen, die meist zu Hause gewebt oder geknüpft wurden, wurden Atelierteppiche in größeren Fabriken hergestellt. Das größte Teppichland war der Iran, das ehemalige Persien. Immer noch sagten sehr viele Menschen »Perserteppiche« und meinten damit orientalische Teppiche.
    Ein weiteres großes Teppichland war die Türkei, wo sich Carl-Ivar im Augenblick aufhielt. Die Bezeichnung für die Teppiche, die dort geknüpft wurden, lautete anatolische Teppiche.
    Dass Teppiche Kulturvermittler waren, war leicht zu begreifen. Wer Olssons Teppichhandel besuchte, konnte das auf Anhieb bestätigen. Ein Teppichkauf war etwas, das ruhig länger dauern durfte. Natürlich konnte man einen Teppich auch probeweise mit nach Hause nehmen und dort ausrollen, um zu sehen, ob er auch zu den Möbeln passte. Annelie hatte jedoch gelernt, dass orientalische Teppich eigentlich überall gut aussahen. Hatte Carl-Ivar nicht, was man suchte, versprach er, sich umzusehen. Das meiste ließ sich bestellen. Außerdem besaß Teppichhändler Olsson ein Lager. Annelie wusste allerdings immer noch nicht, wo es sich eigentlich befand. Er hatte sie nie dorthin mitgenommen, was sie natürlich nur noch neugieriger machte.
    Annelie wunderte es selbst, dass es ihr so gut gefiel, auf Teppiche aufzupassen, ans Telefon zu gehen und Bestellungen auszuhändigen.
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