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Lumpenloretta

Lumpenloretta

Titel: Lumpenloretta
Autoren: Christine Nöstlinger
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superbillig, da reicht unser Geld auf ewig.“
    Glatze hat gemeint, genug erklärt zu haben und hat seine Sporttasche geschultert.
    „Warum willst du denn weg?“, hat die Loretta gefragt. „Was hast du denn ausgefressen?“
    Damit hat Glatze wirklich nicht gerechnet. Jetzt ist er am verwirrt Schauen gewesen. Und mehr als „Wegen dir!“ hat er nicht rausgebracht. Ein großer Redner ist er eben nicht.
    „Wieso wegen mir?“, hat die Loretta gefragt.
    Weil Glatze keine Antwort gegeben hat, hat sie ihre Frage wiederholt, und Glatze hat gemurmelt: „Weil du doch in kein Heim wollen hast.“ Die Loretta hat das Gemurmel nicht verstanden und noch mal gefragt.
    Und Glatze hat es geschafft, halbwegs laut zu antworten.
    „Aber ich bin eh in keinem Heim“, hat die Loretta gesagt. Und dann hat sie Glatze erklärt, dass es ihr gut geht. Sehr gut sogar. Alles ist hier super. Sie geht in die Schule, in die zweite Klasse Hauptschule. Die erste Klasse hat sie nicht nachmachen müssen. Die Lehrer und die Kinder mögen sie. Und der Werner und die Andrea, das sind der Herr und die Frau Lehmann, die sind sicher, dass sie nach der vierten Klasse ins Gymnasium gehen kann. Und einmal waren schon der Zopferl und ihre Mama auf Besuch. Am tollsten ist aber, dass sie jeden Tag reiten darf und voltigieren lernt. Voltigieren heißt: auf einem galoppierenden Pferd turnen! Später einmal will sie doch zum Zirkus. Da braucht sie aber vorher eine Ausbildung, und zwar eine perfekte. Ein bisschen Salto machen und Rad schlagen reicht da wirklich nicht. Und für den Zirkus ist es auch sehr gut, wenn sie viele Fremdsprachen lernt. Nur mit Deutsch kommt man da nicht weit, weil die Artisten doch aus vielen Ländern kommen. Und wenn man nicht das Kind von Zirkus-Artisten ist, muss man sowieso erwachsen sein, damit man im Zirkus arbeiten darf. In der Zeit bis dahin wird sie ganz toll trainieren, denn sie will ja nicht zu irgendeinem Pimperl-Zirkus, sondern zum allerbesten, den es gibt.
    Dann hat eine Frauenstimme „Loretta, Loretta“ gerufen, und die Loretta hat gesagt: „Ich muss rein. Sonst macht sich die Andrea Sorgen um mich. Willst mitkommen? Die sind alle echt nett!“
    Glatze hat den Kopf geschüttelt und ist langsam den Weg zwischen der Tischlerei und dem Feuerwehrhaus rauf, zur Bushaltestelle gegangen. Jetzt ist es schon so dunkel gewesen, dass er den Fahrplan im Wartehäuschen nicht lesen hat können. Er hat seinen Schlüsselbund aus der Hosentasche geholt. Der hat als Schlüsselanhänger eine kleine Stabtaschenlampe. Im Kegel des Taschenlampenlichts hat er gesehen, dass der nächste Bus um sieben Uhr in der Früh kommt.
    Ganz leer im Kopf ist Glatze gewesen. Sein Magen hat geknurrt, Durst hat er gehabt, müde hat er sich gefühlt, und kalt ist ihm auch gewesen. Er hat die Sporttasche auf die Bank im Wartehäuschen gestellt, hat einen dicken Pullover rausgeholt und den angezogen, hat sich auf die Bank gelegt und die Sporttasche als Kopfkissen genommen. Aber er hat trotz Pullover gefroren. So hat er sich noch einmal aufgerappelt, hat die Zeitungen aus dem Abfallkorb gezogen, sich mit denen zugedeckt und ist eingeschlafen.

EIN PAARMAL IST GLATZE AUFGEWACHT . Einmal, weil aus dem Wirtshaus Leute gekommen sind und laut miteinander geredet und gelacht haben, einmal, weil ein Hund wütend gekläfft hat, einmal, weil zwei Katzen kreischend und fauchend in den Büschen hinter dem Wartehäuschen einen Kampf ausgetragen haben. Aber Glatze ist jedes Mal blitzschnell wieder eingeschlafen. Und wenn du mich fragst: Wer so hartnäckig immer wieder wegschläft, obwohl er den ganzen Tag nichts gegessen und nur zwei Colas getrunken hat, und dazu noch friert, der will einfach von der Welt nichts mehr wissen.
    Zehn Minuten vor sieben Uhr ist ein Streifenwagen der Polizei langsam durch Baudorf gefahren. Wie sie am Wartehäuschen vorbeigekommen sind, hat der Polizist auf dem Beifahrersitz gesagt: „Stopp! Da liegt einer!“
    Die zwei Polizisten sind ausgestiegen und über die Straße zum Wartehäuschen gegangen. Der eine Polizist hat die Zeitungsblätter von Glatze geschubst und gesagt: „Ja, wen haben wir denn da?“
    Der andere hat Glatze an der Schulter gerüttelt und gesagt: „Aufwachen, junger Mann!“
    Glatze ist hochgeschreckt, hat verwirrt geschaut und „Ich warte auf den Bus“ gesagt.
    „Jetzt kommst erst einmal zum Posten mit“, hat der eine Polizist gesagt.
    Und der andere: „Dann sehen wir schon weiter!“
    Der eine Polizist hat Glatze
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