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Lumpenloretta

Lumpenloretta

Titel: Lumpenloretta
Autoren: Christine Nöstlinger
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„Den hab ich gestern von der Loretta bekommen.“ Sie hat eine Ansichtskarte aus dem Kuvert gezogen. Auf der Vorderseite ist eine Wiese mit Kühen gewesen, auf der Hinterseite ist gestanden:
    Liebste Locke, wie geht es dir? Was machen Glatze, Zecke und Zahn? Lass sie von mir grüßen. Deinen Opa auch. Und schreib mir zurück! Deine Loretta
    Und auf der Klappe vom Briefkuvert ist gestanden: Loretta Hausner, Baudorf 11, A-3245.
    „Da könnte er der Loretta doch wenigstens einen Brief schreiben“, hat Locke gesagt.
    „Glatze und Brief schreiben?“ Zahn hat den Kopf geschüttelt, aber dann hat er gesagt: „Na, schaden kann es jedenfalls nicht.“
    „Okay“, hat Locke gesagt. „Dann bringe ich ihm den Brief gleich auf dem Heimweg vorbei!“
    Hat sie aber nicht getan. Sie ist ein paar Minuten vor dem Glatze-Haus gestanden und hat zum Fenster von Glatzes Zimmer raufgeschaut, dann ist sie heimgegangen. Ist ja nicht einfach für sie gewesen. Da liebst du einen, seit du denken kannst, und der verliebt sich auf den ersten Blick in eine andere, und du sollst ihm, nur damit er aufhört, den Zombie zu spielen, die neue Adresse von dieser anderen geben. Das ist ein bisschen viel von sich selber verlangt! Aber Locke ist eine, die so viel von sich selber verlangt. Nur braucht sie dazu halt Zeit, zwecks Überwindung.
    Am nächsten Tag in der Schule hat sie Glatze den Brief von der Loretta gegeben. Locke und Glatze sitzen, seit sie in die Schule gehen, an einem Pult. Vor Zecke und Zahn.
    In der Zehn-Uhr-Pause, so ganz nebenbei, hat Locke Glatze das Briefkuvert hingeschoben. „Übrigens“, hat sie gesagt, „hat mir die Loretta geschrieben. Kannst den Brief ruhig lesen.“
    Glatze hat die Wiesen-Kuh-Karte aus dem Kuvert gezogen und gelesen, was auf der Hinterseite steht. Dann hat er den Absender auf der Briefklappe angestarrt und gefragt: „Wo ist Baudorf?“
    Locke hat ihm nicht sagen können, wo Baudorf ist. Bloß dass ein Ort, dessen Postleitzahl mit 3 beginnt, irgendwo in Niederösterreich liegt, hat sie gewusst.
    Wie die Schulglocke die Zehn-Uhr-Pause ausgeratscht hat, ist Glatze aufgestanden und aus der Klasse gegangen.
    „Wo geht Glatze denn hin?“, hat Zahn nach vorne gefragt.
    „Er frequentiert wohl etwas verspätet unsere sanitäre Anlage“, hat Zecke vermutet.
    Aber der Platz neben Locke ist leer geblieben. Der Mathe-Lehrer hat eine halbe Stunde auf Glatzes Rückkehr gewartet, dann hat er ihn als „fehlend“ ins Klassenbuch eingetragen.
    In der nächsten Pause haben Zecke und Zahn das ganze Schulhaus nach Glatze abgesucht. Locke hat nicht mitgemacht. Ist ihr gleich klar gewesen, dass Glatze weggegangen ist, auch wenn sein ganzer Schulkram noch im Pult gelegen ist.
    Das haben Zecke und Zahn schließlich auch kapiert, wie sie in die Garderobe rein sind. Weil dort Glatzes Schulschlapfen vor Glatzes Spind gestanden sind. Und seine Jacke und seine Baseballkappe sind nicht mehr im Spind dringehängt.
    „Und was heißt das jetzt?“, hat Zahn gefragt.
    „Das heißt“, hat Zecke gesagt, „ dass deine optimistische Annahme, es könne nichts schaden, wenn er den Brief von der Loretta bekommt, leider eine Falsche gewesen sein dürfte.“
    Nach der letzten Schulstunde hat Locke Glatzes ganzen Schulkram in Glatzes Schultasche gestopft, und Zahn hat die Schultasche in der Garderobe in Glatzes Spind gestellt.
    „Ihr werdet sehen, Glatze ist daheim“, hat er gesagt, „der liegt im Bett und spielt wieder toter Mann. Der hat einen Rückfall. Weil die Loretta nicht ihm, sondern Locke geschrieben hat. Würde mich an seiner Stelle auch wurmen.“
    Locke hat ihm nicht geglaubt. Auch nicht, wie sie aus dem Bus gestiegen sind und gesehen haben, dass Glatzes Fahrrad nicht mehr am Fahrradständer bei der Bushaltestelle steht.
    „Jedenfalls“, hat Zahn gesagt, „ist er nach der Schule hier gewesen und hat sich sein Radl geschnappt. Wird ja nicht ausgerechnet heute jemand sein Radl gefladert haben.“
    Locke, Zecke und Zahn sind langsam zur Siedlung raufgeradelt. Vor Lockes Haus sind auch Zecke und Zahn abgestiegen.
    „Falls er wirklich nicht daheim im Bett liegt“, hat Zahn gesagt, „haben wir keine Ahnung von einer Idee, wo er sein könnte. Verstanden?“
    „Dieses entspricht ja wohl auch den todtraurigen Tatsachen“, hat Zecke gesagt.
    Locke hat den Kopf geschüttelt. „Er ist zur Loretta gefahren!“
    „Mit dem Radl?“ Zahn hat sich ans Hirn getippt. „Wo ist denn dieses Kuhdorf eigentlich?“
    Locke ist nicht
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