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Lumpenloretta

Lumpenloretta

Titel: Lumpenloretta
Autoren: Christine Nöstlinger
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Bahnhof gar nicht übersehen!“
    Die Fahrt mit der Straßenbahn hat Glatze geschafft, und den Informationsschalter im Westbahnhof hat er auch gefunden. Ewig lang hat er dort anstehen müssen, weil eine Horde englischer Girls mit riesigen Rucksäcken hundert Fragen an den Mann hinter der Glasscheibe gehabt haben. Wie Glatze endlich an der Reihe gewesen ist, hat ihm der Mann hinter der Glasscheibe erklärt, dass man nach Baudorf vom Franz-Josefs-Bahnhof aus fährt. Zuerst nach Krems mit dem Zug und dann mit dem Autobus weiter. Und der nächste Zug nach Krems geht um vierzehn Uhr.
    Dass es auch einen Franz-Josefs-Bahnhof gibt, hatte Glatze nicht gewusst. Woher denn auch? Er war noch nie im Leben mit der Bahn gefahren. Ihn hatten seine Eltern immer im Auto herumchauffiert. Und wenn daheim vom Bahnfahren die Rede gewesen war, hatten seine Eltern immer vom Westbahnhof geredet.
    Glatze hat den Mann hinter der Glasscheibe gefragt, wie er zu diesem Franz-Josefs-Bahnhof kommt. Der Mann hat es ihm genau erklärt. Zweimal hintereinander sogar. Aber Glatze hat es nicht wirklich kapiert. Ratlos ist er vor dem Bahnhof gestanden und hat sich nicht entscheiden können, in welche Richtung er jetzt gehen soll, um zu einer Straßenbahn zu kommen, die „Fünfer“ heißt. Und es ist schon zehn Minuten nach dreizehn Uhr gewesen!
    Glatze hat einen Mann, der mit einem Koffer aus dem Bahnhof rausgekommen ist, nach der Haltestelle vom „Fünfer“ gefragt. Der Mann hat bedauernd den Kopf geschüttelt, irgendetwas in einer fremden Sprache gesagt und ist in eines der Taxis gestiegen, die vor dem Bahnhof gewartet haben. Da hat Glatze beschlossen, auch mit einem Taxi zu fahren.
    „Hast eh a Marie?“, hat der Taxifahrer gefragt, wie Glatze zu ihm ins Taxi gestiegen ist.
    Glatze hat nicht kapiert, was der Taxifahrer meint. „Wie bitte?“, hat er gefragt.
    „Ob du genug Geld hast, Bubi?“, hat der Taxifahrer gesagt und sich bemüht, Hochdeutsch zu reden.
    Glatze hat unter sein Hemd gegriffen, aus dem Papiersackerl einen Geldschein gezogen und dem Taxifahrer gezeigt. Ein Fünfzig-Euro-Schein ist es gewesen.
    „Na, dann fahren mir halt, Herr Bubi!“, hat der Taxifahrer zufrieden gesagt. „Wohin soll es denn gehen?“
    „Zum Franz-Josefs-Bahnhof, bitte“, hat Glatze gesagt.
    „Ui-jegerl!“ Der Taxifahrer hat tief geseufzt. „Der Gürtel ist heut total verstopft. Das kann dauern!“
    „Mein Zug fährt um zwei Uhr“, hat Glatze gesagt.
    „Ob wir das hinkriegen, bei dem verstopften Verkehr, ist sehr fraglich“, hat der Taxifahrer gesagt.
    Der Taxifahrer hat es nicht „hingekriegt“! Zehn Minuten nach vierzehn Uhr ist Glatze beim Franz-Josefs-Bahnhof gewesen. Der nächste Zug nach Krems, hat er beim Fahrkartenschalter erfahren, fährt um sechzehn Uhr.
    Über eine Stunde ist Glatze auf dem Bahnsteig herumgesessen, bis der Zug nach Krems eingefahren ist. Dann ist er eine halbe Stunde im Zug gesessen, bis der Zug abgefahren ist. Und wieder eine Stunde später ist er in Krems aus dem Zug gestiegen. Dass der Bus nach Baudorf am Platz vor dem Bahnhof steht, hatte ihm der Schaffner im Zug gesagt. Und er hatte auch gesagt, dass sich Glatze beeilen muss, den Bus zu erreichen, weil der Zug ein paar Minuten Verspätung hat.
    Glatze ist aus dem Bahnhof raus. Zwei riesige LKWs, von denen Männer Kisten abgeladen haben, haben ihm den Blick auf den Bahnhofsplatz verstellt. Glatze hat sich zwischen den LKWs durchgewurstelt, am anderen Ende vom Platz einen Autobus gesehen und ist losgejappelt. Wie er beim Bus gewesen ist, hat er gemerkt, dass das ein Touristenbus ist, der eine Gruppe Amerikaner durch die Gegend karrt.
    Glatze hat sich umgeschaut, aber er hat keinen anderen Bus entdecken können. Anscheinend hat er ziemlich verzweifelt ausgesehen, denn ein dicker Mann hat ihm auf die Schulter geklopft und gefragt: „Wartest du auf wen, Burscherl?“ Und mit einem Blick auf die pralle Sporttasche: „Hätte dich wer abholen sollen?“
    „Den Bus nach Baudorf finde ich nicht“, hat Glatze gesagt.
    „Der ist grad vorher um die Ecken ’bogen!“ Der dicke Mann hat zur großen Straße am Ende vom Platz gedeutet. „Heute geht da keiner mehr. Erst morgen in der Früh wieder. Musst halt stoppen. Es ist ja nicht so weit bis Baudorf. Wird dich schon wer mitnehmen.“
    Glatze ist ratlos dagestanden. Er hat nur die Autostopper gekannt, die mit großen Papptafeln bei den Autobahnauffahrten stehen. Sollte er sich wo ein Stück Pappe kaufen, Baudorf
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