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Lukkas Erbe

Lukkas Erbe

Titel: Lukkas Erbe
Autoren: Petra Hammesfahr
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dazu. Mittags stellte man ihm einen Stuhl neben das Bett, weil er sich nicht von der Stelle rührte. Abends fuhr ich noch einmal hin und holte ihm etwas zu essen aus der Kantine. Die Nachtschwester war bereits da und hatte nichts dagegen, dass er blieb.
    «Er macht ja nichts.»
    Er machte vier Tage lang nichts, saß nur da, hielt ihre Hand, streichelte ihr Gesicht, küsste sie hin und wieder auf die Stirn. Wenn er zur Toilette musste, winkte er eine Schwester heran, damit sie ihre Hand hielt. Gab man ihm etwas zu essen, war es gut, gab man ihm nichts, war es auch gut. Wenn er müde wurde, legte er den Kopf auf das Bett.
    Die Schwestern gewöhnten sich an ihn. Der behandelnde Arzt meinte nach vier Tagen, sie hielte nur durch, weil er da sei. Sonntags atmete sie wieder aus eigener Kraft. Und am Dienstag schlug sie zum ersten Mal dieAugen auf, nur für ein paar Sekunden. «Da bist du ja», murmelte sie und schlief wieder ein.
    Das war der Tag, an dem Nicole Rehbach aus dem Lohberger Krankenhaus entlassen wurde. Ihre Wunden waren noch nicht verheilt, aber sie wollte es so, weil am Nachmittag ihr Mann beigesetzt wurde. Walter Hambloch holte sie ab.
    Natürlich hatte längst jemand von der Spurensicherung Miriam Wagners Koffer ausgeräumt und die beiden Holztafeln gefunden. Sie waren quadratisch mit einer Seitenlänge von dreißig Zentimetern. Auf jeder Tafel befand sich ein Relief. Zwei Menschen im Wald, ein Mann und eine Frau. Nur holte sich niemand eine Lupe, um Schnitzereien zu betrachten, die man für Urlaubssouvenirs hielt. Pilzsammler, dachte man, weil die beiden Menschen im Wald auf einem Relief gebückt waren, als suchten sie etwas. Und ein Akt, dachte man, weil das zweite Relief eine Umarmung zeigte. Die Gesichter waren winzig, doch mit einer Lupe war der Mann zu erkennen.
    Dirk Schumann war immer noch interessiert an Ben, obwohl auf dem Messergriff keine Fingerabdrücke festgestellt worden waren und man kaum davon ausgehen durfte, Ben hätte Handschuhe übergezogen oder den Griff abgewischt. Dirk vermutete, ich hätte das für ihn getan. Er glaubte mir nicht, dass Miriam Wagners Aussage Ben entlastete, weil Miriam Wagner noch keine Aussage gemacht, nur ein paar Worte gemurmelt hatte.
    Am fünften Tag nach ihrer Einlieferung machte Miriam ein paar Angaben zu ihrem Aufbruch. Andreas und Sabine Lässler bestätigten später, den Jaguar in der Nacht vom 14. auf den 15.   Oktober gesehen zu haben. Folglich konnte Ben am nächsten Morgen nicht in Rehbachs Garten gewesen sein.
    In der Nacht war Achim Lässler dort gewesen. Das wusste Dirk inzwischen. Walter Hambloch hatte ihn darauf hingewiesen, es könne sich im Fall Rehbach auch um einen Racheakt gehandelt haben, weil Nicole und Hartmut Britta Lässler nicht beigestanden hatten. Nun saß anstelle von Bruno Kleu Achim Lässler im Verhör.
    An dem Abend traf ich Anita Schlösser bei Miriam Wagner an, als ich Ben mit einer Mahlzeit versorgen wollte. Das hatte seine Schwester bereits getan. Anita bestand darauf, dass er jetzt mit ihr fuhr, bei ihr duschte und frische Kleidung anzog. «Dann bringe ich dich wieder hierher.»
    Er ging nur sehr widerstrebend, nachdem ich ihm versprochen hatte, zu bleiben und Miriams Hand zu halten, bis er zurückkam. Sie war eingeschlafen, wachte auf, kurz nachdem er mit Anita die Station verlassen hatte.
    Sie erinnerte sich nicht, wer ich war. Als sie es begriff, lächelte sie matt. «Aber Sie haben Waldi nicht überführt, sonst läge ich nicht hier.» Sie war schwer zu verstehen, sprach so leise, dass ich mich tief zu ihr hinunterbeugen musste.
    Ihre Verletzungen betrachtete Miriam als den letzten Beweis, dass sie sich nicht geirrt hatte und nicht etwa nur deshalb Walter Hambloch für den Täter hielt, weil sie ihn nicht ausstehen konnte. Es gab nur diese eine Möglichkeit. Der Täter musste mit einem Schlüssel in den Bungalow gekommen sein. Außer ihr hatte nur Nicole Rehbach einen Schlüssel, den während der Geburtstagsfeier jeder Gast aus der Manteltasche genommen haben konnte.
    «Dazu hatten Andreas Lässler, Uwe von Burg und Dieter Kleu keine Veranlassung», flüsterte sie. «Oder sehen Sie eine?»
    Mit Nicoles Schlüssel war es eine Kleinigkeit gewesen, in den Bungalow zu gelangen. Nur war niemand zuHause gewesen. Aber der dritte Hausschlüssel hatte in einem Schubfach der Garderobe gelegen. Nicoles Schlüsselmäppchen wurde nicht mehr gebraucht und konnte zurück in die Manteltasche gesteckt werden, wo Walter Hambloch es dann
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