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Nore Brand 03 - Racheläuten

Nore Brand 03 - Racheläuten

Titel: Nore Brand 03 - Racheläuten
Autoren: Marijke Schnyder
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»… Money makes the world go around … the world go around … the world go around. Money makes the world go around. It makes the world go ’round.«

    Mit raschen Schritten entfernte sich Federico Meier von der Seniorenresidenz Lindenpark. Der Nordostwind hatte die ersten Septembertage verdorben. Meier kümmerte sich nicht darum. Ein alter Mann kam ihm mit hochgestelltem Mantelkragen entgegen. Er schob seinen Rollator vor sich her. Um seinen Hals hing ein Schal in den Farben der Young Boys. Meier wünschte ihm einen schönen Abend. Der Alte brummte etwas zurück, ohne dabei die Augen vom Kiesweg mit seinen unzähligen Hindernissen zu heben. Meier blieb einen Augenblick stehen und schaute ihm nach. Armer Kerl. Mit einem erleichterten Schwung drehte er sich ab und eilte weiter. Für ihn dauerte es hoffentlich noch eine Weile, bis es soweit war. Mit einem bißchen Glück würde ihn der Tod mitten aus seinem Leben reißen. Unvorstellbar für ihn, so dahinzuvegetieren, mit einem Horizont, der an der Gartenhecke endete. Also gab’s nur eines: voll leben und alles durchziehen, bevor sie dich an den Rollator stellen!
    Durch die eisernen Stäbe des gewaltigen Eingangstors sah er das Taxi heranfahren. Ein alter mattgelber Mercedes. Der Chauffeur öffnete die Tür und schaute ihn fragend an.
    »Meier?«
    »Ja«, rief Federico Meier ihm zu und riss die Tür hinter dem Führersitz auf, »zum Obergericht, Länggasse.«
    Den Rest des Weges bis zur Firma würde er zu Fuß gehen. Ein bisschen frische Luft um die Nase war zweifellos richtig, wenn man dabei war, einer erfolgversprechenden Sache auf den Grund zu gehen.
    »Kavaliersdelikte nannte man das früher«, hatte sein Großvater gesagt und ihm zugezwinkert. »Aber heute liegt nichts mehr drin in dieser Beziehung. Alle haben Angst vor Enthüllungen. Dass alte Sachen auffliegen und dass die ganze Welt davon erfährt!«
    Das muss nach dem dritten Glas gewesen sein. Er war verdammt gut gewesen, dieser Walliser, und der Großvater war sentimental geworden dabei.
    »Und weil es keine Kavaliere mehr gibt, hat die Welt jetzt Probleme damit. So ist das.«
    Federico Meier strich sich die Haare aus der jungen Stirn. Sein Herz klopfte aufgeregt. Das Leben hatte sich soeben auf einen Schlag verändert. Er würde diesen Problemen auf die Spur kommen und etwas Bewegung in die Sache bringen. Er musste cool bleiben und ein bisschen clever, denn er war unterwegs zu seinem Ziel, er hatte den kürzesten Weg dorthin gefunden, in ein Leben ohne Einschränkungen und Sorgen.
    »Obergericht?«, wiederholte der Chauffeur. »Das hatten wir schon längere Zeit nicht mehr.« Er schaute Meier im Rückspiegel an.
    »Dann war’s wieder mal an der Zeit«, erwiderte Federico Meier gutgelaunt. Der Mercedes fuhr los. Eine alte Karre, aber der Motor klang wie Musik in seinen Ohren.
    Federico Meier hörte sich leise pfeifen. Money makes the world go around … Innerlich sang er die letzten paar Worte dieses komischen Liedes. It makes the world go ’round … In seinem Gedächtnis hatte dieses Lied zwar keinen Anfang, aber ein gutes Ende. Er sah seinen Musiklehrer, wie er abgewandt von der Klasse mit seinem dicken runden Rücken am Klavier saß und die Begleitung in die Tasten hämmerte. Der kleine Meier in Schuluniform schämte sich für alle anderen, die dieses Lied lauthals und fröhlich mitsangen. Die Erinnerung hatte die ganze Peinlichkeit der Situation nicht gemildert. Und jetzt waren die Worte mit der Melodie unvermittelt aufgetaucht aus seiner Vergangenheit, und es sang in ihm, bevor er es unterdrücken konnte. Die Takte hatten sich selbstständig gemacht. Unaufhörlich sang es im Kreis. »… It makes the world go ’round.«
    Er pfiff laut vor sich hin. »… It makes the world go ’round.«

    Ein simples Lied, das sich irgendwo in seinem Gedächtnis niedergelassen hatte, um im richtigen Moment wieder aufzutauchen. Vielleicht lag das Geheimnis der Langlebigkeit solcher Lieder darin, dass sie am Ende immer recht hatten. Am Ende ging es immer um das Geld.
    Federico Meier lächelte vor sich hin. Er drehte sich nochmals um. Zu spät. Die herbstlichen Lindenbäume hatten sich vor den Blick auf die Residenz geschoben. Der alte Herr musste sich ausruhen. Eigentlich dürfte er jetzt wegdämmern. Federico brauchte ihn nicht mehr.
    Das Taxi fuhr auf den Parkplatz hinter dem Obergericht und hielt an.
    »Viel Glück«, sagte der Taxichauffeur mit einem bedeutungsvollen Unterton.
    Federico Meier grinste,
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