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Luegenprinzessin

Luegenprinzessin

Titel: Luegenprinzessin
Autoren: Nora Miedler
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etwa fünfzehn Metern machte sie einen Schwenk und steuerte das Ufer an. Ich lauschte und stellte fest, dass ich die anderen nicht mehr hören konnte, es schien, als ob der Wald ihre Stimmen regelrecht schluckte. Dass ich einen Anflug von Furcht verspürte, zeigte, wie überreizt meine Nerven mittlerweile waren. Vielleicht lag es aber auch am fahlen Mondlicht, das das Gesicht meiner Freundin in das Antlitz einer Fremden verwandelte.
    »Mia, warum hast du das gemacht?« Mein Atem stockte. Ich wusste sofort, wovon sie sprach. Aber wie war sie da­rauf gekommen? Das war vollkommen unmöglich, denn es gab außer mir nur eine Person, die etwas ahnen könnte… Die Erkenntnis traf mich mit einer Wucht, als hätte ich einen Schlag in den Magen abbekommen.
    »Du –«, stieß ich hervor.
    Sie nickte. Und fragte wieder: »Warum, Mia?«
    Am liebsten hätte ich ihr die Gegenfrage ins Gesicht geschleudert, doch ich wusste, ich musste mich einzig und allein darauf konzentrieren, wie ich am ehesten flüchten konnte. Aber die Gedanken, die mir durch den Kopf jagten, machten einen gut überlegten Fluchtplan ohnehin unmöglich. Warum Diana? Das ergab überhaupt keinen Sinn!
    »Mia.« Es klang drohend.
    Ich wich einen Schritt zurück. Und dann noch einen. Der ruhige See schlug plötzlich Wellen. Wie auf Kommando rissen Diana und ich die Köpfe herum. Es war Vero, die auf uns zuschwamm!
    »Vero!«, schrie ich. »Komm nicht ans Ufer!« Mir fiel ein, dass Vero und ich uns als weitaus schnellere Schwimmerinnen als Diana erwiesen hatten. Ohne groß zu überlegen, rannte ich los und hechtete in den See. Als ich den linken Arm nach vorne riss, jagte der Schmerz so unbarmherzig durch meinen Körper, dass ich aufjaulte. »Schwimm mir nach!«, brüllte ich trotzdem in Veros Richtung, doch sie sah so verwirrt aus, dass ich befürchtete, sie würde nicht auf mich hören. »Mach schon!«
    »Mia«, schrie Diana vom Ufer. »Komm zurück!«
    Vero kraulte an meine Seite – Gott sei Dank –, dann ging sie ins Brustschwimmen über. Ich jappelte wie ein kranker Hund neben ihr her, nicht wissend, wie ich mit dem stechenden, brennenden Schmerz überhaupt weiterkommen sollte.
    »Oh Gott, Vero, oh Gott«, fiepste ich. »Wir müssen irgendwo an Land und Chris und Felix warnen.«
    »Was ist denn überhaupt los?«, keuchte sie. »Du tust ja grade so, als ob die Psychofrau hinter dir her wäre.«
    Ich nickte, verschluckte mich vor Aufregung und fing wie wild zu husten an. »Vero!« Ich schnappte nach Luft, japste. »Hilf mir! Bitte!«
    Sofort schwamm sie hinter mich und packte mich am Kinn. Wir waren einige Stöße weit gekommen, wobei klar wurde, dass der Rettungshelferkurs im Schwimmbad uns nicht wirklich auf diese Notsituation vorbereitet hatte, da schrie Vero plötzlich auf.
    »Was?«, rief ich.
    »Krampf. Ein Krampf in meinem rechten Unterschenkel. Aua! Kann nicht mehr!«
    Oh Gott! Wir mussten die Plätze tauschen. Mit zusammengebissenen Zähnen schob ich meinen schmerzenden Arm unter ihr Kinn und kämpfte mit dem anderen Arm und den Beinen darum, uns über Wasser zu halten. Das Ufer war noch so weit.
    »Schaffen es nicht«, stieß Vero hervor. Sie deutete auf die entgegengesetzte Seite, mein Blick folgte ihrem Kopf. Die Höhle, die wir am ersten Tag entdeckt hatten!
    Wir erreichten sie mit letzter Kraft. Nachdem wir ein paar Minuten keuchend und zitternd am Felsen gehangen waren, schafften wir es sogar, uns gegenseitig an der flachsten Stelle hochzuschieben beziehungsweise hochzuziehen. Ich ballte die rechte Faust und jaulte, die Schmerzen hatten sich mittlerweile auf meine ganze linke Körperhälfte ausgebreitet. Wenn ich Mr Bean jemals wiedersehen durfte, dann würde ich ihn dazu bringen, mich die ganzen Schmerztabletten auf einmal nehmen zu lassen.
    Vero massierte stöhnend ihren Unterschenkel.
    Ich starrte ihn an. »Hast du nicht gesagt, der Krampf ist im rechten Bein?«
    Sie hielt in der Bewegung inne. Ihre Augen huschten kurz in meine Richtung, dann senkten sie sich wieder auf ihren Unterschenkel. Sie blinzelte und sagte lapidar: »Dann hab ich mich eben geirrt. Links, rechts, wo ist der Unterschied?«
    Oft sind es nur die Kleinigkeiten, die uns verraten. Links und rechts zu verwechseln, ist keine große Sache, und wäre Veros Reaktion darauf anders ausgefallen, dann hätte ich nicht weiter darüber nachgedacht. So aber arbeitete mein Kopf auf Hochtouren, so lange, bis sie mich ansah. Und diesmal war es eine Kleinigkeit, die mich verriet. Anstatt
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