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Luegenprinzessin

Luegenprinzessin

Titel: Luegenprinzessin
Autoren: Nora Miedler
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heute«, belehrte er soeben mit erhobenem Zeigefinger Ben, der maulte, dass er jetzt schon klettern wollte.
    »Wusstest du, dass der Balaton der größte Binnensee Mitteleuropas ist?«, fragte Chris mich, während wir weitergingen.
    »Balaton?«, wiederholte ich abwesend, während ich versuchte, mich darauf zu konzentrieren, was David, der hinter mir ging, gerade zu Joe sagte.
    »Der Plattensee«, erklärte Chris. »An seinem Ufer wachsen Mandelbäume, aber auch Granatäpfel werden angebaut.«
    Flüsterten die etwa miteinander? Ich versuchte, möglichst unauffällig nach hinten zu schielen, um ja nicht zu verpassen, was Joe und David gerade machten.
    Plötzlich quietschte ich und hüpfte zur Seite. Felix hatte mir den Zeigefinger zwischen die Rippen gestochen und ich war extrem kitzlig. Ein fabelhafter Anlass für mich, mein neues Lachen in der Öffentlichkeit zu testen, noch dazu in Davids Gegenwart. Ich spannte die Bauchmuskeln an, drückte die Brust raus und prustete und hustete möglichst klangvoll Luft aus meinem Körper. Von links und rechts spürte ich Blicke auf mir, Vero fragte, ob ich krank sei, und plötzlich fühlte ich mich genauso. In meinem Mund hatte ich den Geschmack von Blut. Scheiße, wahrscheinlich waren mir vor Anstrengung gerade sämtliche Lungenbläschen geplatzt.
    Zwei Wege verliefen durch den Wald, wovon der kürzere zu einem See führte. Wie eine geheime Oase ruhte er zwischen den Bäumen, unerwartet groß und berauschend schön. Durch die teilweise vorstehenden Bäume konnte man von unserem Ufer aus nicht den ganzen Umfang erkennen, was ihm etwas Geheimnisvolles verlieh. Selbst bei denjenigen unter uns, die weder mit Hunden noch mit Klettergärten zu begeistern waren, hob sich jetzt die Stimmung.
    »Der Waldsee ist unser ganzer Stolz«, verkündete Norbert und sah in der Tat stolz aus. »Hierher verirrt sich kaum jemand, ihr werdet ihn also für euch alleine haben.«
    »So, es gibt natürlich gewisse Regeln, an die sich alle zu halten haben«, musste Mr Bean natürlich gleich den Stimmungskiller spielen. Ich schaltete auf Durchzug, dachte an meinen neuen Bikini und konnte es kaum erwarten, dass David mich darin sah.
    Trotzdem schlang ich eine Viertelstunde später genau wie die anderen Mädchen ein dickes Handtuch um meine Taille, um die vermeintlich prekären Stellen zu verhüllen. Nur eine von uns verzichtete darauf: Joe.
    In ihrem schlichten weißen Bikini, der ihre gebräunte Haut zum Strahlen brachte, sah sie aus wie frisch dem ­H-&-M-Bademoden-Katalog entstiegen. Ohne Übertreibung. Als einziges Mädchen stand sie nun zwischen den Jungs, während hinter ihr sechs Augenpaare neidisch an ihrem Hintern hingen – für den das Wort Hintern eigentlich eine Beleidigung darstellte. Das war ein echter Po. Sie war eben bereits eine echte Frau, neben ihr wirkten sogar die überschminkten Quaks wie kleine Mädchen. Verzagt dachte ich an die Kissen in meinem Push-up-Oberteil, die ständig verrutschten und nicht wirklich vorgaukeln konnten, dass ich einen halbwegs anständigen Busen besaß. Und die Hoffnung, dass er sich irgendwann noch mal aufraffte, einer zu werden, schwand Tag für Tag.
    Das Wasser war angenehm kühl, um nicht zu sagen saukalt. Niemand von uns kam umhin, beim Reinsteigen scharf die Luft einzuziehen, doch natürlich wollte auch niemand als Feigling dastehen. Bis auf Mr Bean, der es vorzog, an Land zu bleiben. Vero, Diana und ich schwammen in schnellerem Tempo, um uns aufzuheizen. Diana kam als Erste ins Schnaufen und meinte, sie müsse eine Pause einlegen. »Da drüben hinter der Trauerweide sind Steine«, keuchte sie. Wir befanden uns in einer Art Schneise, also war das gegenüberliegende Ufer recht nah. Durch die riesige Trauerweide, deren grünblättrige lange Zweige bis auf die Wasseroberfläche hinunterhingen, wirkte das Plätzchen richtig kuschelig. Begeistert stellten wir fest, dass die sogenannten Steine sich als kleine Höhle entpuppten. Wir krochen auf den großen felsenähnlichen Gesteinsbrocken, der in der Höhle aus dem Wasser ragte.
    »Hier lässt es sich aushalten«, seufzte ich.
    Wie sich herausstellte, war das Plätzchen aber doch recht abgeschieden, denn als wir nach einer Weile zurückschwammen, rannte Mr Bean schon ganz aufgeregt am Ufer entlang und wollte Norbert gerade dazu überreden, die Hunde nach uns suchen zu lassen. »Seid ihr denn des Wahnsinns knusprige Beute?«, rief er, war jedoch sichtlich erleichtert.
    Zerknirscht schwammen wir hinter Norbert
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