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Luegenbeichte

Luegenbeichte

Titel: Luegenbeichte
Autoren: Beate Doelling
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Gefängnis! Er hatte wirklich die zwei Zigaretten an der Bushaltestelle nur geraucht und war dann wieder zur Party zurückgegangen, weil Lilli Sander nicht gekommen war. Konnte sie auch nicht, denn zu der Zeit war sie schon tot, erstickt, von Robert, ein paar Minuten vorher, hinter dem Geräteschuppen. Von dort aus hatte er sie über den gepflasterten Weg durch den Garten, zum Trampelpfad nahe der Bushaltestelle geschleift und sie dort in den Brennnesseln abgelegt. So war sie vom Pfad oder der Bushaltestelle aus nicht sichtbar gewesen.
    Robert hat alles gestanden. Er wollte Lilli nicht umbringen, er wollte nur, dass sie aufhörte zu schreien.
    Robert ist jetzt in einer geschlossenen Psychiatrie. Er leidet unter einer ausgeprägten schizoiden Persönlichkeitsstörung. Barbara hat mit der leitenden Ärztin gesprochen und will auch weiterhin Ansprechpartnerin sein. Im Moment darf sie ihn jedoch nicht sehen. Josi wünschte, sie ließe endlich von ihm ab. Warum will sie sich um jemanden kümmern, der den kleinen Halbbruder ihrer Tochter entführt, eine Frau getötet und auch Josi fast umgebracht hätte? Josi darf gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn sie es nicht geschafft hätte, ins andere Zimmer zu entkommen und schließlich aus dem Fenster zu springen! Wie oft hat sie diesen Albtraum, dass Robert sie erwischt und mit der Axt auf sie einschlägt. Barbara sagt dazu, sie solle sich da nicht reinsteigern und es nicht noch schlimmer machen, als es ohnehin schon sei.Irgendwie kommt es Josi vor, als hänge sie in einer Warteschleife, wenn sie mit Barbara spricht. Mama ist wieder voll in ihrem Element, spricht mit der leitenden Psychiaterin über Roberts Traumata, erzählt ihr, wie er früher von seiner Mutter in den Schrank gesperrt wurde, wenn die Kunden hatte, und dass er sich unter das Bett geflüchtet und dort die High Heels seiner Mutter vor Augen hatte. Wenn seine Mutter ihn unter dem Bett erwischte, schlug und bestrafte sie ihn und sperrte ihn in den Schrank. Manchmal vergaß sie ihn dort bis zum nächsten Tag! Dann tat es ihr furchtbar leid und sie fütterte ihn mit weißen Pralinen. Später, als Jugendlicher, fing Robert an, Absätze von allen High Heels abzusägen, die er kriegen konnte.
    Mit Barbara konnte Josi also kaum reden, aber mit ihrem Vater schon. Thomas war so weich geworden, seitdem er vom Tatverdacht befreit worden war. Er entschuldigte sich bei Josi, für alles, was er ihr angetan habe und für seine Lügen. Und dann weinten sie zusammen. Sie hatte ihren Vater bis dahin noch nie weinen sehen. Und trotzdem blieb da doch noch eine Art Wand zwischen ihnen – seine Sexualität, die sie nichts anging und mit der sie auch nichts zu tun haben wollte, und mit der sie doch seit ihrer frühsten Kindheit, zwangsläufig, wenn auch nur indirekt, immer wieder konfrontiert wurde. Jedenfalls mit den gravierenden Folgen.
    Und sie? Sie war noch nie so verliebt gewesen wie in Max! An dem verhängnisvollen Samstag hatten sie das erste Mal zusammen geschlafen und damit ein Fundamentihrer Liebe geschaffen. Und darauf bauen sie jetzt auf. Josi und Max. Max und Josi.
    Im November würde sie gern mit ihm in eine WG ziehen. Es gäbe da zwei freie Zimmer, bei einem Studentenpaar, Freunde von Max, in Neukölln. Josi würde liebend gern ihren eigenen Haushalt haben, Abstand zu den Eltern, sie besuchen, aber nicht mehr bei ihnen wohnen. Marina sagt, sie könne Josi gut verstehen.
    Es gab auch einen Abend, wo sie zu dritt auf der Terrasse saßen, Marina, Papa und sie, als Lou schon schlief. Sie redeten über das Leben, die Versuchungen, denen man ausgesetzt ist, die Fehler, die man macht, und ob man sie durch Beichten tilgen könne.
    »Nein«, hatte Josi gesagt. »Fehler muss man wiedergutmachen.« Papa hatte sie daraufhin angeschaut. Ein neuer Anfang.
    Sie haben auch über Religion gesprochen, über das Glauben an sich – warum man glaubt und wie viel Glaube normal ist.
    Roberts Glaube war auf jeden Fall ein missbrauchter Glaube. Bei den Eheleuten Schneider, die Robert aufnahmen und selbst keine Kinder hatten, musste er regelmäßig beten, beichten und aus der Bibel vorlesen. Bestraft wurde er immer im Namen Gottes. Schneiders hatten ihn ständig spüren lassen, dass er etwas Minderwertiges war, ein unchristliches Kind einer Prostituierten. Und wen Gott in so eine Situation brachte, der hatte es eben verdient und musste Buße tun.Dass Robert Josi aufgelauert und sie beobachtet hatte, wenn sie von der Schule nach Hause
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