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Luegenbeichte

Luegenbeichte

Titel: Luegenbeichte
Autoren: Beate Doelling
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Schwarz-Weiß-Filmen kannte. Und aus Gruselfilmen. Robert sah sie an. Sein linker Mundwinkel zuckte. Er hielt den Holzgriff des Messers umklammert. Die Klinge stand schräg ab. Josi stellte den Teller ab. Sie wollte etwas sagen, ihm sagen, dass er das Messer weglegen soll, aber ihr Mund war so trocken, die Zunge klebte fest. Sie kriegte keinen Ton raus.
    Robert ging in die Knie, ohne den Blick von ihr zu lassen.
    »Du sollst nicht mit dem Essen spielen«, sagte er mit verstellter Stimme. Diesmal war sein Ton scharf und drohend. »Wie oft habe ich dir das gesagt? Zur Strafe kriegst du keinen neuen Toast.«
    Er hob mit einer Hand den Toast auf, ging um die Küchentheke, stand Josi gegenüber, hob das Messer und fuhr sich damit über den Kopf. Wie die Klinge über seine Kopfhaut schabte, ließ Josi erschauern. Er schnappte sich die Mayonnaiseflasche und drückte sich einen dicken Klecks auf den Kopf. Mit der freienHand verrieb er die Mayonnaise. Sie sah aus wie Rasiercreme, nur gelber und ohne Schaum. Er setzte das Rasiermesser an und schabte Streifen um Streifen von seinem Kopf, streifte das Messer an einem schmutzigen Küchenhandtuch ab. Josi war wie hypnotisiert von seinen Bewegungen, unfähig, sich zu rühren. Hatte sie eben noch Angst vor dem Messer gehabt, hatte sie nun Angst vor dem »alten« Mann, der vor ihr stand und seine Glatze mit dem zusammengeknüllten Handtuch trocken rieb.
    Es roch säuerlich, nach Mayonnaise. Seine Glatze glänzte fettig. Er klappte das Messer zu, steckte es in die Hosentasche und strich sich mit einer Hand über den Kopf.
    »Ich liebe es, meinen Kopf zu streicheln, wenn er glatt rasiert ist«, flüsterte er. »Er ist dann wie Babyhaut, zart und weich und unschuldig.« Dabei lächelte er, weich und unschuldig, wie der kleine Junge, der er mal gewesen war.
    Es war wie ein Erwachen: Robert steckte nicht mit dem alten Mann unter einer Decke, er war der »alte« Mann.
    Mit seiner schuppigen Haut unter den Augen, den rötlichen Falten und der Glatze sah er tatsächlich aus wie ein alter Mann – der Mann, bei dem Lou gewesen war!

Dein Wille geschehe!
3:32
    Robert setzte seine Wüstenkappe wieder auf. Er sagte etwas, daraufhin gingen die Rollläden hoch, auch nebenan, in seinem Schlafzimmer. Draußen dämmerte es schon. Eine Amsel sang. Es würde wieder ein schöner Sommertag werden.
    »Was hast du mit Lou gemacht?«, brach es aus ihr heraus. Sie konnte nichts mehr zurückhalten. »Du hast ihn am Samstag mitgenommen. Du warst am Haus, im Garten! Du warst es! Gib es zu!«, schrie sie. »Du hast es ja selbst gesagt, dass du mich und Max beobachtet hast. Das kann nur am Samstag gewesen sein!« Sie verstummte. Übelkeit stieg wieder in ihr hoch.
    Robert kam um die Theke auf sie zu. Sie schrie ihn an, sie trat nach ihm, sie boxte ihm ins Gesicht. Seine Lippe blutete. Und dann ging alles ganz langsam, wie in Zeitlupe. Er verlor sich in einem Singsang-Ton, redete etwas von Strafe und dass er sie jetzt in den Schrank sperren würde, und packte sie mit beiden Händen fest an den Armen.
    Sie wusste, dass sie mit Gewalt nicht gegen ihn ankam.
    »Robi, ich habe Hunger. Du hast doch gesagt, wir essen jetzt was. Du hast mir versprochen …« – Ihre Stimme, verstellt, viel zu hoch und ganz leise. Sofort ließ er sie los. Riss die Augen auf. Seine Augäpfel waren gerötet. Josi hielt die Luft an. Herzschlag im Ohr.
    »Möchtest du Toast mit Maus?« Er tupfte mit dem Handrücken über seine Lippe und sah sie an. Sie lehnte sich mit dem Rücken an den Tresen. Wollte er sie verarschen?
    »Ich habe welche mit grünen Augen oder mit roten Augen.« Er guckte wie ein geprügelter Hund, der gestreichelt werden wollte. Sein linker Mundwinkel zuckte.
    »Lieber mit Schuh«, entfuhr es ihr und einen Augenblick war ihr, als könnte sie Lou lachen hören, sein frisches, ansteckendes Lachen, das in ein Glucksen und Prusten überging.
    Robert war das Grinsen aus dem Gesicht gefallen. Diese Bemerkung hatte ihn völlig aus dem Konzept gebracht. So schnell kamen seine Gedanken nicht nach, das konnte sie deutlich sehen. Er schaute auf die Toastscheiben, zwischen denen tatsächlich eine Maus herausguckte, eine Marshmallowmaus mit grünen Zuckeraugen. Das waren also die unförmigen Stullen, die sie im Kühlschrank gesehen hatte. Toast mit Maus hatte er auch Lou angeboten.
    Robert sah hilflos aus, klein. Seine Kraft war entwichen. Sein Blick ging hin und her, als suche er jemanden, der ihm aus der Patsche helfen
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