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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch
Autoren: Francine Prosse
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dass Banken sicher seien. Sie sagte, es tue ihr leid, aber Albaner hätten so schlechte Erfahrungen mit Banken gemacht … Ihre Ausführungen hatten sich in der wirtschaftlichen Katastrophe und den gewaltigen sozialen Unruhen verloren, die auf den Kommunismus gefolgt waren, vergleichbar mit den letzten Szenen eines Horrorfilms, wenn der Wahnsinnige aus dem Grab hochschießt. »Sie haben von unserem Pyramidensystem gehört? Bot den Investoren fünfzig Prozent. Was haben die sich nur gedacht? Die Regierung war auch beteiligt. Das hat alle in den Ruin getrieben.«
    Mister Stanley hatte müde genickt. »Natürlich erinnere ich mich. Gruselige Sache. Könnte überall passieren. Klar, wir können das auch in bar machen.« Was vermutlich gescheiter war, da Lula noch kein Arbeitsvisum hatte, aber dafür würde Don Settebello schon sorgen. Mister Stanley hatte gesagt: »Sollte man mir je einen Regierungsposten anbieten, müssen Sie leugnen, mich zu kennen.«
    »Klar«, hatte Lula geantwortet. »Wir sind uns nie begegnet.«
    »War ein Scherz«, hatte Mister Stanley gesagt.
    Lula wusste, dass manche Amerikaner jedes Mal jubelten, wenn Einwanderungsbeamte Razzien in Fabriken durchführten und dunkelhäutige kleine Hühnerverpacker in die Laderäume von Lastwagen schubsten. Sie hatte auf Fox News diese Typen gesehen, die verlangten, dass jeder Einwanderer, bis auf deutsche Supermodels und japanische Baseballspieler, sang- und klanglos abgeschoben wurde. Aber andere, wie Mister Stanley und Don Settebello, benahmen sich, als hätte man eine Behinderung oder eine Krebserkrankung überstanden, wenn man woandersher stammte. Es bedeutete, dass man tapfer war und sich nicht so leicht unterkriegen ließ. Und da sie in der Lage waren, einem so unter die Arme zu greifen, konnten sie besser von sich und ihrem Schmelztiegelland denken. Ihre Motive waren rein, oder größtenteils rein. Es gefiel ihnen, Macht und Verbindungen zu haben, zu wissen, welche Fäden man zog.
    Jetzt würde Lula bleiben können. Alle würden glücklich sein. Der Balkan kannte keinen Ausdruck für eine »Win-win-Situation«. Auf dem Balkan sagte man: Kein Problem, und die Übersetzung lautete: Du bist am Arsch.
    Als Lula den schwarzen Lexus SUV wenden und erneut den Block entlangkriechen sah, fragte sie sich, ob Zeke in Schwierigkeiten war. Ihrer Meinung nach war er nur ein leicht depressiver amerikanischer Teenager, aber das amerikanische Fernsehen lebte vom Blutvergießen leicht depressiver Teenager. Wie die Nachbarn der Todesschützen immer sagten, war Zeke ein guter Junge. Ruhig. Doch diese unwahrscheinliche schlechte Nachricht würde in einem Polizeiwagen kommen.
    Ihr nächster Gedanke galt der Einwanderungsbehörde. Dann dachte sie voller Freude und Erleichterung: Seit gestern bin ich legal! Dann fiel ihr ein: Na und? Das hier war Dick-Cheney-Amerika. Selbst im Land geborene Bürger machten sich Sorgen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand bei Fox News auf die tolle Idee käme, die Pilgerväter zurückzuschicken, die am Plymouth Rock gelandet waren.
    Lulas Anwalt Don Settebello war in demselben Wohnblock aufgewachsen wie Mister Stanley. Als Lula zum ersten Mal in Dons Büro gekommen war, hatte sie eine lange, leidenschaftliche Rede darüber gehalten, wie sie dieses Land liebte und wie gern sie hierbleiben wollte – nicht gelogen. Don hatte die Hand gehoben. Zeit sei nicht Geld, sondern etwas viel Kostbareres als Geld. Zeit sei Zeit. All seine Mandanten beteuerten, wie gut es ihnen hier gefalle. Er könne dafür sorgen, dass ihr Wunsch Wirklichkeit wurde. Und das hatte er getan. Er hatte Gefälligkeiten eingefordert, hatte das Unmögliche erreicht. Lula bekam ihr Visum. Helden konnten so was tun, sagte Mister Stanley, der auch mehrfach sagte, er sei besorgt, Don würde es zu weit treiben und seine Karriere ruinieren oder Schlimmeres.
    Vermutlich war es überall dasselbe. Man zahlte und zahlte, und wenn man aufhörte zu zahlen, hörten die Gefälligkeiten auf. Außerdem war das hier New Jersey, der Heimatstaat der Mafia. Lula schaute sich mit Zeke und Mister Stanley Die Sopranos an. Vielleicht war der schwarze SUV gekommen, weil Mister Stanley oder Don vor ein paar Monaten zu zahlen aufgehört hatten.
    Der SUV erreichte das Ende des Blocks und bog in eine Einfahrt. Lula sah, wie er wendete und wieder die Straße herunterkam. Sie wünschte, sie wäre nicht allein im Haus. Warum war sie so nervös? Konnte es an den Überresten ihrer frühen kommunistischen
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