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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch
Autoren: Francine Prosse
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den sein Vater bevorzugte, weil er in der Nähe lag und Biolebensmittel führte, und den Zeke ebenfalls mochte (praktisch das Einzige, worin sich Vater und Sohn einig waren), da er an kleine Familiengeschäfte statt gesichtsloser Ladenketten glaubte, obwohl seine Essensvorlieben eher zu Maischips mit Mesquite-Geschmack und japanischer Mikrowellen-Nudelsuppe tendierten. Zeke fiel nicht auf, dass die anderen Käufer ihre reichen, snobistischen Vorortnasen über das rümpften, was Lula und er einkauften. Vermutlich war ihr Haushalt der einzige, in dem das albanische Mädchen dem amerikanischen Teenager die Entscheidung überließ. Lula hatte schon oft Gemüse gekocht, aber Zeke weigerte sich, es zu essen. Sollte sich seine zukünftige Ehefrau doch eines Tages damit herumplagen.
    Nachdem sie mit Zeke vom Markt zurückkam, mixte Lula ihnen beiden Mojitos, ein Spritzer Alkohol in Zekes, einen ordentlichen Schuss in ihren, mit viel Zucker und Minze. Zeke saß dann auf einem der hohen Küchenhocker und sah zu, wie Lula Abendessen machte. Meistens aßen sie Pizza aus Tiefkühlteig, Tomatensoße aus dem Glas und Mozarella, der sie eingefroren beide überleben würde. Manchmal wickelte Lula winzige, vereiste Hamburger aus, die, aufgewärmt in der Mikrowelle, erstaunlich gut schmeckten, fast so wie ein Straßenimbiss in Tirana. Schlechtes Essen machte Zeke rebellisch, wie es sich für einen Teenager gehörte. Je wohler Zeke sich fühlte, desto sicherer war Lulas Job und umso wahrscheinlicher ihre Aussichten, in diesem Land bleiben zu können, obwohl Mister Stanley und Don Settebello deutlich gemacht hatten, dass es bei ihrer Hilfe für Lula nicht um ihre Arbeit bei Mister Stanley ging und darum, wie gut sie für Zeke sorgte.
    Und nun, hurra, besaß sie ihr Arbeitsvisum! Lula atmete tief durch und erschauderte, zum einen über den glänzenden schwarzen Lexus, der immer noch um den Block kurvte, zum anderen über ihr Alltagsleben. Das Leben einer alten Schachtel!
    Gestern Abend hatten Lula und Zeke, wie jeden Abend unter der Woche, vor dem Fernseher gegessen. Lula bestand darauf, dass sie sich die Abendnachrichten anschauten, lehrreich für sie beide. Der Präsident hatte gesprochen, um das amerikanische Volk vor der Bedrohung durch die Vogelgrippe zu warnen. Das Wort war ihm nur schwer über die Lippen gekommen. Seine Stirn runzelte sich jedes Mal, wenn er es aussprechen musste, und seine Augenlider flatterten, als sei er angewiesen worden, an Vögel als Gedächtnisstütze zu denken.
    »Bei uns zu Hause«, hatte Lula gestaunt, »ist dieser Mann ein Gott.«
    »Das sagst du jeden Abend.«
    »Um es mir ins Gedächtnis zu rufen«, hatte sie gesagt. Die Liebesbeziehung ihres Landes zu Amerika hatte mit Woodrow Wilson begonnen, und Clinton und Bush hatten sie durch die Bombardierung der Serben und die Rettung der Kosovo-Albaner vor Miloševic´s Todesschwadronen besiegelt. Daheim hatte sie so ihre Zweifel an den mit Gold gepflasterten Straßen gehabt, und als sie schließlich nach New York kam und im La Changita zu arbeiten begann, hatten die Bedienungen sie rasch über das sogenannte Land der unbegrenzten Möglichkeiten aufgeklärt. Und trotz all der gemischten Gefühle der Kellner und Küchenhilfen überwog bei allen der Wunsch, hierbleiben zu dürfen. Tja, warum auch nicht? Nach Lulas Meinung war Ambivalenz ein Zeichen für Reife.
    Gestern Abend hatte sie, wie immer, Mitleid gehabt mit dem Präsidenten, der wie ein dummer kleiner Junge mit einer Lüge einen Krieg angezettelt hatte, und dann hatte er all diese unschuldigen Menschen in New Orleans sterben lassen, und jetzt wartete er ängstlich darauf, was an noch Schlimmerem auf ihn zukommen mochte. Vor allem schien er Angst vor dem Vizepräsidenten zu haben, der Lula ebenfalls Angst einjagte mit seinen kalten kleinen Augen, die nicht blinzelten, wenn er log; wie ein Diktator aus dem Ostblock, ohne die tuntige Frisur.
    »Es gibt keine Vogelgrippe«, hatte Lula behauptet. »Einen Krieg im Irak, den Hurrikan Katrina, das schon. Vielleicht ein Huhn in China mit Kratzen im Hals und Fieber.«
    Aber inzwischen war der Polizeichef der Stadt auf dem Bildschirm erschienen, um zu verkünden, dass die Alarmstufe auf Orange erhöht worden sei, weil es eine ernst zu nehmende Warnung vor einem Terroranschlag auf das New Yorker U-Bahnnetz gebe.
    »Es gibt keinen Terroranschlag«, hatte Lula gesagt.
    »Woher weißt du das alles?«, hatte Zeke gefragt. »Nicht, dass ich das alles nicht auch für
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