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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch
Autoren: Francine Prosse
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um zu sehen, ob sie wusste, was er meinte, ob sich das Gesagte in Lulas Sprache – was auch immer sie sprach – übersetzt hatte. Lula wusste es, und wusste es nicht. Sie hatte seinen unausgesprochenen Zweifel an ihrer Verständnisfähigkeit, wie so vieles in diesem Land, gleichzeitig als rücksichtsvoll und beleidigend empfunden. Eine Krankheit, hatte Mister Stanley gesagt, für die niemand ein wirksames Medikament oder auch nur eine Diagnose hatte finden können.
    Am Weihnachtsabend, sagte Mister Stanely, sei es ein Jahr her, seit seine Frau sie verlassen habe. Sie kämen zurecht, er und Zeke. Aber er mache sich Sorgen um seinen Sohn, so viele lange Stunden allein. Dann hatte er gefragt, was Lula sei . Aus welchem Land, hieß das. Er sagte, auf Albanien wäre er nicht gekommen. Er schien das amüsant zu finden.
    Lula hatte gesagt: »Ich bin in Albanien aufgewachsen. Aber meine Eltern waren zu Besuch bei einem Vetter meines Vaters im Kosovo, und sie hingen dort fest, als der Krieg ausbrach und die Serben kamen und alle ermorden wollten. Sie konnten nicht nach Tirana zurückkehren. Sie sind bei den Nato-Bombenangriffen umgekommen.« Das Lächeln war von Mister Stanleys Gesicht getröpfelt. Das war der perfekte Augenblick, zu erwähnen, dass ihr Visum auslief. Mister Stanley sagte, er habe einen Jugendfreund, Don Settebello, einen berühmten Einwanderungsanwalt. Die New York Times habe eine Porträt über ihn gebracht. Don könne Wunder bewirken.
    Ein paar Tage nach dem Vorstellungsgespräch war Mister Stanley mit Lula hinausgefahren, um Zeke kennenzulernen und sich sein Ziegelschlachtschiff von einem Haus mit den welligen Bleiglasfenstern und der halbrunden Veranda anzusehen, die seitlich herausragte wie ein Kropf. Ein knorriger Baum im Vorgarten hatte den Bürgersteig mit seinen Früchten knallrot gefärbt. Sie hatte nicht geglaubt, dass es Häuser wie diese so nahe der Stadt gab, und auch keine fetten Krähen, die im Maulbeerbaum saßen und sie davor warnten, den Job anzunehmen.
    »Kümmert euch um euren eigenen Dreck«, hatte sie die Krähen angewiesen.
    »Wie bitte?«, hatte Mister Stanley gefragt.
    »Albanischer Aberglaube«, hatte eine lügende Stimme durch Lulas Mund erklärt.
    Zekes Haar war so schwarz wie die Krähen, aber matter, und ein dicker, achteckiger Silberbolzen bildete einen Tunnel im einen Ohrläppchen. Mit seinem übertriebenen Lächeln hatte Zeke wie die spöttische Imitation von jemandem gewirkt, der gezwungen war, Freude oder Harmlosigkeit oder auch nur schlichte Höflichkeit zu vermitteln. Zeke hatte ihr die Hand geschüttelt, sein langer Körper zu einem S zusammengesackt, und sie prüfend gemustert, während er gleichzeitig den über ihre bloße Anwesenheit Verärgerten mimte. Einspruchsrecht war alles, was er hatte. Es würde leichter sein, wenn er sie mochte. Und Lula entsprach kaum der hexenhaften Gefängniswärterin, die sein Vater Zekes Vorstellung nach einstellen würde.
    Mister Stanley hatte die beiden im Wohnzimmer allein gelassen.
    »Was machst du zurzeit?«, hatte Zeke gefragt.
    »Ich bin Kellnerin. Im Mojito-Distrikt. Ist Zeke dein richtiger Name?«
    »Warum fragst du?« Zusammengesunken auf der Couch hatte Zeke unter seinem tintenschwarzen, angeklatschten Haar zu ihr gespäht.
    »Weil er wie jemand klingt, der Angst hat. Ziek, ziek, ziek . Oder wie ein kleiner Vogel.«
    »Das ist mein Name. Wo hast du Englisch gelernt?«
    »In der Schule. In Albanien.«
    »Du sprichst gut Englisch. Du klingst wie eine Engländerin.«
    »Vielen Dank. Unser Lehrer war Engländer. Außerdem habe ich Privatstunden bei einem Australier genommen.« Nicht nötig, diesem unschuldigen Jungen zu erzählen, dass sie mit Blowjobs für den Unterricht bezahlt hatte. »Die aus der Generation nach mir haben alle Englisch von SpongeBob SquarePants gelernt.«
    »SpongeBob ist schwul.«
    »Na und?«
    »Ezekiel«, hatte Zeke gesagt. »Wie in der Bibel.«
    »Die Bibel habe ich nie gelesen. Ich bin als Atheistin aufgewachsen. Halb Muslimin, halb Christin.« Normalerweise erwähnte sie den Muslim-Teil nie, also musste sie bereits das Vertrauen gehabt haben, Zeke würde ihr abnehmen, dass sie nicht zum Dschihad gegen McDonald’s aufrief.
    Zeke hatte gesagt: »In meiner Klasse ist ein Iraner. Dem haben sie in der öffentlichen Schule immer in den Arsch getreten, darum ist er in meine Schule gekommen, wo alle supertolerant sind. Sein Vater ist ein berühmter Augenarzt. Sie wohnen in einer Megavilla.«
    »Albanien ist
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