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Luciano

Luciano

Titel: Luciano
Autoren: Jack Higgins
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kurz nach neun Uhr vormittags auf der
Luftwaf fenbasis von Punta Raisi bei Palermo. Eine Stunde später
saß der Feldmarschall im deutschen Hauptquartier, der alten
Benediktiner-Abtei in der Nähe des Monte Pellegrino, und trank
Kaffee im Büro von Generalmajor Karl Walther, dem derzeiti gen
Kommandanten.

      »Wunderschön«, sagte
Kesselring und wies auf die Aussicht. »Großartig, und der
Kaffee ebenfalls.«
      »Echter Mokka aus dem
Jemen.« Walther goß ihm noch eine Tasse ein. »Ein
paar angenehme Extras können wir hier immer noch
organisieren.«
      »Bei der Fahrt durch die Stadt hatten wir Schwierigkeiten. Überall zogen Prozessionen herum.«
      »Eine heilige Woche. Irgend
etwas Derartiges findet dauernd statt. Dann kommt alles ins Stocken.
Die Italiener sind ein sehr religiöses Volk.«
      »Es scheint so«, sagte
Kesselring. »Als eine der Prozessio nen an uns vorüberzog,
fiel mir etwas recht Ungewöhnliches auf. Die Statue der Heiligen
Jungfrau, die sie mittrugen, hatte ein Messer im Herzen stecken.«
      »Typisch sizilianisch«, erwiderte Walther. »Todeskult, wo man hinsieht.«
      Kesselring setzte die Tasse ab. »So, und was steht jetzt für mich an?«
      »Heute vormittag haben wir acht
Stück. Jeweils Eisernes Kreuz Erster Klasse, mit Ausnahme der
beiden Männer, für die
    sich der Herr Feldmarschall besonders interessiert.«
    »Sehen wir sie uns mal an.«
    Walther öffnete die Tür und ließ
Kesselring den Vortritt auf eine steingeflieste Terrasse, deren
Säulen durch schmiedeeiser ne Gitter verbunden waren. Drunten im
Hof standen acht Män ner in Reih und Glied.

      »Koenig ist der letzte in der
Reihe, Herr Feldmarschall«, sagte Walther. »Der Mann neben
ihm ist Scharführer Brandt.«
      »Der heute das Ritterkreuz bekommt?«
      »Koenig hat ihn jetzt zum drittenmal vorgeschlagen.«
      »Gut.« Kesselring nickte. »Dann wollen wir mal.«

      Major Max Koenig war sechsundzwanzig
und sah zehn Jahre älter aus. Er hatte in Polen, Frankreich und
Holland gekämpft und hatte sich 1941 zum neu aufgestellten 21.
FallschirmjägerBataillon der Waffen-SS gemeldet, gerade
rechtzeitig für den Absprung über Maleme auf Kreta, wo er
schwer verwundet wurde. Dann kam Rußland, zwei lange Winter, und
sie hatten sichtbare Zeichen hinterlassen: das Verwundetenabzeichen in
Gold, das besagte, daß er fünfmal schwer verletzt worden
war, und den Schatten von Müdigkeit, der über seinem ganzen
We sen lag, den leeren Blick der dunklen Augen.
      Mit Ausnahme des silbernen
Totenkopfabzeichens an der Feldmütze und der SS-Runen und
Rangabzeichen auf seinem Kragen war er ganz Fallschirmjäger: er
trug eine Fliegerbluse, und die Uniformhose steckte in den
Sprungstiefeln. Am linken Ärmel war der Kreta-Ärmelstreifen
aufgenäht, der Stolz der Männer, die beim Angriff auf Kreta
die Speerspitze gebildet hatten. Der goldene und silberne Adler des
FallschirmspringerAbzeichens steckte neben dem Eisernen Kreuz an seiner
linken Brusttasche. Das Ritterkreuz mit Eichenlaub hing an seinem
    Hals.
    Während er als letzter in der Reihe darauf
wartete, die Schwerter zu bekommen, empfand er eine seltsame
Gleichgül tigkeit und suchte dennoch nach einem freundlichen Wort
für Feldwebel Brandt, für den dieser Augenblick
überragende Be deutung besaß und unvergeßlich bleiben
würde.

      »So, Rudi«, flüsterte er, »jetzt ist es endlich soweit.«
      »Verdanke ich Ihnen, Herr
Major«, erwiderte Brandt. Er war ein Gastwirtssohn aus Tirol,
also Österreicher, ein kleiner drah tiger Mann, der den ganzen Tag
klettern konnte, ohne eine Ru hepause einzulegen. Er und Koenig waren
nun seit über zwei Jahren zusammen.
      Stiefel klapperten auf den
Steinstufen, als Kesselring und General Walther erschienen, und jemand
rief: »Stillgestan den!« Die Ordensverleihung lief
vortrefflich ab, denn Kessel ring war in bester Stimmung,
liebenswürdig wie immer, und sagte ein paar Worte zu jedem Mann,
dem er die Auszeichnung anheftete. Und jeder war stolz darauf, wie
nicht anders zu er warten, denn Kesselring war schließlich
Oberster Befehlshaber der Heeresgruppe Süd und unbestreitbar einer
der sechs besten Generäle, über die beide Seiten im Zweiten
Weltkrieg verfüg ten.
      Nun war die Reihe an Brandt, und
Kesselring tat etwas Großartiges: Ungeachtet aller
Rangunterschiede schlug er Brandt auf die Schulter und schüttelte
ihm herzlich die Hand, ehe er dem Feldwebel das heißbegehrte
Ritterkreuz um den Hals
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