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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte
Autoren: Jobst Mahrenholz
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strahlte jetzt über das ganze Gesicht. All unsere Blicke, von ratlos bis fasziniert, wanderten zu unserer Mutter. Die aber, schüttelte irritiert den Kopf.
    » Nein, nein, nicht wie ihr denkt. Nein!« Er lachte. » Nicht die Familie wächst. Wir bekommen einen neuen Lehrling, den wir zum Jungkoch ausbilden werden...«  
    Ich war sprachlos. Was sollte das jetzt?
    Gerade mal drei Monate war es her, dass ich mit meiner Arbeit begonnen hatte und nun? Schon wieder ein Lehrling? Wir kamen super zurecht. Was sollte da ein Neuer?
    » Wieso?«, fragte ich daher.  
    » Ihr kennt doch Alessandro Comero aus Perugia...«, begann Antonio, und seine Stimmlage verriet uns, dass jetzt eine seiner ausschweifenden Geschichten folgte. Wir nickten ergeben, aber in meinem Kopf überschlugen sich die Fragen.  
    » Nun...«, begann er, »Alessandro stammt ja ursprünglich aus Fano. Wie ihr wisst, lebte er ja früher mit seiner alten Mutter an der Ausfallstraße, die Richtung Urbino führt. Sie hatten da einen kleinen Hof. Ein paar Schafe, Ziegen, so halt...«  
    Es folgte eine umfassende Schilderung der Lebensumstände von Alessandro Comero und seiner Mutter. Über Umwege erfuhren wir dann von seiner Abwanderung gen Süden und schließlich von der überstürzten Eheschließung mit einer japanischen Einwanderin Mitte der 80’er Jahre.
    Ab hier schien die Geschichte endlich interessant zu werden. Denn zum einen gelangte Alessandro Comero zu einigem Wohlstand, was er wohl vor allem der Familie seiner Frau zu verdanken hatte, zum anderen kam jetzt der Spross der Comeros ins Spiel; jener, so vermutete ich, der jetzt bei uns als Koch ausgebildet werden sollte.
    » Und wieso?«, wiederholte ich genervt meine Frage von vorhin, als Antonio meinen Verdacht bestätigte.  
    » Weil Alessandro mich darum gebeten hat...«, antwortete Antonio, »...darum! Und was kann es schaden, Luca? Zwei Hände mehr. Außerdem plant Pietro sich langfristig selbstständig zu machen.«  
    Das stimmte. Pietro machte schon seit längerer Zeit keinen Hehl daraus, dass er mit dem Gedanken spielte, in Rimini ein kleines Restaurant zu eröffnen.
    » Und was dann?«, fragte Antonio in die Runde. » Auf lange Sicht können wir gut jemanden gebrauchen. Und wir helfen einem alten Freund der Familie. Oder wie siehst du das, Matteo?«  
    Unser Großvater hatte sich im Hintergrund gehalten, nickte aber zustimmend, als er angesprochen wurde. »Hilf einem Freund, und ein Freund hilft dir.«
    » So ist es!« Antonio schien erleichtert. » Shiro Comero wird in sechs Wochen hier eintreffen. Er bekommt Lucas altes Zimmer unter dem Dach. Und wir heißen ihn herzlich willkommen.«  
    Damit war das Thema für ihn erledigt.
     
    Nicht jedoch für mich.
    Es passte mir überhaupt nicht, meinen Traum, mein absolutes Ziel so einfach mit irgendeinem X-Beliebigen zu teilen. Und es war völlig klar, dass es darauf hinauslaufen würde. Ich wusste ja, wie es lief, mit Gino und Pietro. Die von außen hatten es immer besser bei uns, in der Küche. Das war Antonios Gesetz. Und der hier würde auch noch bei uns wohnen.
    Wie aber konnte ich diesen Plan verhindern? Was für Möglichkeiten hatte ich?
    Verbündete innerhalb der Familie suchen – lautete die simple Antwort.
    Doch das war leichter gesagt als getan, denn Antonio wusste sich durchzusetzen. Darum war es wichtig, wirklich alle auf meiner Seite zu wissen. Dies erforderte nun ein behutsames Herantasten an alle entscheidenden Familienmitglieder.
    Nach einigem Überlegen begann ich mein Vorhaben beim schwächsten Glied in meiner Planungskette umzusetzen, bei meinem Bruder Lorenzo.
    Renzo, wie wir ihn nannten, war zwei Jahre älter als ich und fiel insofern aus der Art, da er sich nicht im geringsten für die Küche interessierte. Seinetwegen hatte Antonio einen externen Koch zusätzlich einstellen müssen, denn Renzo zeigte sich am Herd als schlicht untauglich. Eine Tatsache, die damals eine nicht enden wollende Krise im Familiengefüge zur Folge gehabt hatte.
    Wie sich dann jedoch zeigen sollte, besaß er ungeahnte Talente beim Kellnern. Lorenzo war die geborene Servicekraft. Er behielt absolut den Überblick und ließ sich auch durch aufwändige Großveranstaltungen oder cholerische Gäste nicht aus der Ruhe bringen. Das war sein Ding. Er konnte es einfach, ohne groß darüber nachdenken zu müssen.
    Ich selbst hatte nicht so viel mit ihm zu tun, obwohl wir altersmäßig relativ dicht beieinander lagen. Wir hatten uns einfach wenig zu
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