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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte
Autoren: Jobst Mahrenholz
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wenigen Handgriffen aus und legte sie in eine Stahlschüssel, um sie im Anschluss zu entschuppen. Eine grobe Arbeit, die eigentlich eher einem Lehrling wie mir zustand als einem fertigen Koch.
    Aber es war nicht so, dass ich das nicht konnte. Ich hatte schon unzählige Fische ausgenommen und gesäubert. Das war der Vorteil, wenn man in einem Restaurant aufwuchs, oder der Nachteil, je nachdem. Natürlich begann ich nicht bei Null: klar konnte ich Kartoffeln schälen, Gemüse zu Julietts trimmen oder Rosenkohl putzen. Das Rupfen eines Huhns war mir ebenso vertraut wie das Abbalgen eines Hasen. Auch einen Großteil unserer Rezepte hatte ich schon verinnerlicht.
    Und genau aus diesem Grund gab mir Tomaso das Pesto und nicht den Fisch.
    Timing war das, was ich nun vor allem lernen musste. Zu wissen, wann welcher Gang eines Menüs raus musste und das bei vierundzwanzig voll besetzten Tischen mit je vier bis sechs Personen. Darin lag die Kunst.
    Ruhe zu bewahren, Routine zu entwickeln und auf Unvorhergesehenes gelassen zu reagieren - das war es, worauf es ankam.
    Vorausschauendes Kochen nannte Antonio das. Und es klang bei ihm so: »Was hast du schon getan? Was musst du jetzt tun? Und was wirst du gleich noch tun? Kochen ist ein großes Ganzes, Luca! Du darfst Nichts aus den Augen verlieren. Niemals! Rein gar Nichts! Nicht den Fond, der auf dem Herd reduziert, die Filets, die punktgenau aus der Pfanne müssen, und auch nicht das Topping, was dein Gericht vollenden wird...« Zum Abschluss schickte er dann gerne noch ein »Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, denk dran!« hinterher, bei dem es verdammt schwer war, sich ein Grinsen zu verkneifen.
    Nun also begann ich damit, Zesten von den Zitronen abzuziehen, ganz vorsichtig, um nur die feinen Öl- und nicht die Bitterstoffe der Schale zu gewinnen. Fein gehackter Rosmarin, gewürfelter Knoblauch, all diese Zutaten wurden in einem großen Steinmörser zu einer aromatisch duftenden Paste zerrieben. Da beim ersten Drittel der Parmesan wegfiel, gab ich noch etwas Meersalz hinzu, um die fehlende Abrundung zu ersetzen.
    Später dann würde dieser Teil mit der Zugabe von Petersilie und etwas Olivenöl in den Bauch der Brassen wandern. Das Pesto mit dem Parmesan und den Pinienkernen kam als Tapenade obenauf und bildete dann unter dem Grill eine frische, herrlich duftende Kruste. Ein leichter Salat dazu - va bene!
     
    Dass es Tomaso war, der mich anlernte, fand ich gut.
    Ich war sozusagen sein erster Lehrling. Ich spürte, wie er sich bemühte, mich gerecht zu behandeln. Vermutlich erinnerte er sich noch sehr genau an die Zeit, als er selbst begonnen hatte, in der Küche zu arbeiten - unter den Stimmungsschwankungen unseres Vaters.
    Tomaso lobte, wenn ich etwas gut erledigt hatte oder aber er erklärte mir genau, was ich ändern müsse, wenn dem mal nicht so war.
    Unser Vater war da anders. Antonio übte gerne Druck aus, und er verlangte gerade von uns, seinen Söhnen, alles. Na ja, zumindest mehr als von Gino und Pietro, unseren zwei Köchen, die nicht zur Familie gehörten und die für ihre Arbeit voll bezahlt wurden. Gino und Pietro bekamen weit weniger Launen und Breitseiten verpasst als Tomaso und ich, was uns irgendwie zu Verbündeten machte, in dieser Zeit.
    Überhaupt merkte ich, dass sich das Verhältnis zu meiner Familie durch meinen neuen Küchenstatus veränderte.
    Es kam mir so vor, als würde Tomaso mich tatsächlich das erste Mal so richtig wahrnehmen.
    Er war jetzt 22 Jahre alt, und so waren wir vom Alter her zu weit auseinander gewesen, um etwas miteinander anfangen zu können.
    Doch jetzt, jetzt begann er auf einmal mit mir zu sprechen. Er stellte fest, dass ich in vielerlei Hinsicht mitreden konnte.
    Aber auch mein Vater sah mich nun offenkundig mit anderen Augen.
    Sein Blick wurde auf einmal wachsamer, forschender mir gegenüber. Neu war, dass er mir Fragen stellte, deren Antworten ihn auch tatsächlich zu interessieren schienen. Meist ging es dabei natürlich um die Küche, aber das war ja nun auch das, was uns verband.
    Es war allerdings auch das Einzige, wie sich bald zeigen sollte...
     
    » Wir bekommen Zuwachs...«  
    Antonio hatte uns alle zusammengerufen. Also saßen wir am Morgen im Restaurant, zwischen hochgestellten Stühlen und warteten, was er uns zu sagen hatte. Ein schmaler Streifen Sonne fiel durch das linke Vorderfenster und man sah den Staub im Licht tanzen.
    Antonio war am Abend zuvor von einer Reise aus dem Landesinneren zurückgekehrt und
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