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Love Train

Love Train

Titel: Love Train
Autoren: Katrin Lankers
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verspätet, ist ja nichts Neues. Aber ausgerechnet heute? Ich angele neben dem Bett nach meiner Tasche und krame mein Handy heraus. Simon hat mir vielleicht getextet, wo er steckt und wann er kommt. Nein. Keine neuen Nachrichten. Kurz überlege ich, ihm eine SMS zu schicken, lasse es dann aber lieber bleiben, um ihn nicht zu nerven. Er mag es nicht besonders, wenn ich ihm hinterhertelefoniere oder ihn mit Nachrichten bombardiere. Ich lasse das Handy zurück in die Tasche gleiten und warte weiter.
    Viertel vor elf. Ich habe Durst. Am liebsten würde ich in die Küche gehen, um mir ein Glas Wasser zu holen. Aber als ich bereits an der Tür stehe, fällt mir ein, dass es keine gute Idee ist, in diesem Outfit in Simons WG herumzulaufen. Wäre ja möglich, dass einer seiner Mitbewohner auch gerade in die Küche will. Bleibt nur der Sekt übrig, den ich meiner Mom aus der Vorratskammer stibitzt und zusammen mit zwei stilvollen Kelchen auf dem Tisch neben Simons Schlagzeug drapiert habe. Beherzt greife ich nach der Flasche und lasse den Korken knallen.
    Eigentlich wollte ich den Schampus zusammen mit Simon trinken. Nachdem wir …! Aber wenn Simon sich derart verspätet, muss ich halt schon mal allein anfangen. Ich schenke mir einen der Kelche voll und trinke einen großen Schluck. Jetzt ist mir wenigstens nicht mehr kalt.
    Elf Uhr! Ich nehme den Sektkelch mit hinüber zum Bett und lasse mich in die Kissen fallen. Die Pose, die ich nun einnehme, fällt deutlich weniger elegant aus als vorher. Dafür ist sie bequemer. Ich nippe an dem Sektglas und stelle mir vor, wie Simon endlich durch die Tür kommt, mich sieht und mir ein hinreißendes Lächeln schenkt. Wir fallen uns verliebt in die Arme und mit einem innigen Kuss sinken wir auf die Matratze. Und dann? Blende ich ab. Das wird im Film schließlich auch so gemacht. Nächste Einstellung: Ein glückliches Paar wacht in zerwühlten Decken nebeneinander auf. So ungefähr stelle ich mir das morgen früh vor.
    Viertel nach elf. Mein Glas ist inzwischen leer. Ich stehe auf und fülle noch mal nach. Mit dem Kelch in der Hand drehe ich mich langsam um meine eigene Achse, bis mein Blick an einem Plakat hängen bleibt. Newcomer Contest steht in roten Buchstaben über dem verwackelten Foto einer Rockband. Dasselbe Plakat klebt auch in meinem Zimmer an der Wand. Denn das war der Abend, an dem Simon und ich uns kennengelernt haben.
    Ich war mies drauf an diesem Tag. Ich hatte zum zweiten Mal eine Fünf in Englisch nach Hause gebracht und meine Mutter war stinksauer auf mich. Nur unter der Bedingung, dass ich gleich am nächsten Tag mit dem Büffeln anfinge, ließ sie mich mit Maja ausgehen. So läuft das immer bei meiner Mom: Ich darf eine Menge, solange ich die Schule nicht schleifen lasse. Vertrauen, lautet ihre Erziehungsmaxime. Aber das Vertrauen endet da, wo die schlechten Noten anfangen. Wahrscheinlich hätte ich mich tags drauf sogar tatsächlich mit Vokabellernen abgemüht, wenn ich nicht an besagtem Abend Simon getroffen hätte. Stattdessen habe ich, während ich über meinem Englischbuch saß, nur von dem süßen Simon geträumt.
    Seine Band war die letzte, die auftrat, und mit Abstand die beste. Bis dahin hatte ich grummelnd an der Bar gehockt, weil ich die Musik nicht mochte, gelangweilt an einer Cola genippt und Majas Versuche abgewehrt, mich auf die Tanzfläche zu zerren. Doch in dem Moment, als Simon auf die Bühne kam und sich hinter sein Schlagzeug setzte, machte etwas in mir »klick«, und ich konnte nicht mehr aufhören, ihn anzustarren. Er sah aber auch einfach toll aus mit seinen hochgestylten schwarzen Haaren, den durchdringenden blauen Augen und dem engen Shirt mit Band-Logo, das über seinen Muskeln spannte, während er die Drums bearbeitete.
    Simons Band Vision gewann den Wettbewerb, den der Club ausgeschrieben hatte, und plötzlich stand Simon neben mir an der Bar und drückte mir mit den Worten »Zeit, mit den Groupies zu feiern« ein Glas in die Hand. Wie peinlich! Ihm musste aufgefallen sein, dass ich meine Augen nicht von ihm abwenden konnte. Doch Simon schien das nicht zu stören. Im Gegenteil.
    Den Rest des Abends wich dieser Wahnsinnstyp nicht von meiner Seite. Er stellte mich all seinen Kumpels vor und wirkte dabei so stolz, als hätte er einen Sechser im Lotto gewonnen. Und so, wie er mich aus seinen knallblauen Augen anschaute, kam ich
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