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Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Titel: Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
Autoren: Gwen Bristow
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würde, wenn ich der Älteste gewesen wäre.« Er beugte sich vor und schaute sie forschend an. »Glaubst du, daß ich hoffnungslos schlecht bin, Judith?«
    Sie stützte die Stirn in die Hand. »Ich weiß es nicht! Ich dachte immer, daß die Menschen ihre Pflicht an dem Platz tun sollten, den ihnen Gott gegeben hat. Aber ich bin jetzt ganz verwirrt.«
    »Sieh einmal her.« Philip breitete eine Landkarte auf seinen Knien aus. Die Seidenspitze seines Ärmels bedeckte Neuengland, während er mit dem Finger auf Louisiana zeigte. »Hier ist der Strom, und hier – vier Tagereisen von Neuorleans – liegen die Dalroy-Höhen. Dreitausend Acker von dem reichsten Land in diesem Erdteil warten auf dich und mich. Welch eine herrliche Heimat werden wir haben! Orangenhaine und Indigofelder! Und unsere Pflanzung wird Ardeith heißen – den ganzen Weg habe ich darüber nachgedacht, wie ich sie nennen soll. Wie gefällt dir der Name?«
    »Er ist schön«, erwiderte Judith. Sie erinnerte sich nur noch schwach an ihre unsterbliche Seele.
    »Wir werden ein Herrenhaus bauen«, fuhr Philip fort, »und hinter den Wirtschaftsgebäuden wird ein Sklavendorf liegen. Wir wollen Ton zu unserem Haus verwenden und die Zypressenlatten mit dem grauen Spanischen Moos verkleiden. Solche Wände aus Ton sind dauerhafter als Holz und halten auch die Hitze ab. Von den Negern lassen wir eine Allee von Eichbäumen pflanzen, die zu unserem Tor führt. Bevor wir alt sind, werden sich die Zweige ausbreiten, und die Bäume werden so groß sein wie die hier im Walde, und lange Schleier von Spanischem Moos werden an den Ästen hängen. Wenn wir darunter hinreiten, wird es unsere Schultern streifen. Du wirst eine große Dame sein, Judith, und wir wollen eine Familie gründen, du und ich, und nach hundert Jahren werden unsere Nachkommen, die auf Ardeith herrschen, sich mit Stolz an uns erinnern, die zusammen den großen Strom herunterkamen und sich hier niederließen.«
    Judith stand langsam auf und preßte die Hände auf die Brust. Ihr Blick schweifte über die Orangenbäume und die kleinen Dschungelpalmen. Sie schaute auf die dunklen Granatbäume und den verführerischen Strom, als ob sie das alles zum erstenmal in ihrem Leben sähe. Aber dann legte sie in einer abwehrenden Bewegung die Hände über die Augen. Sie sah auch das kleine, weiße Haus zwischen den Maisfeldern, und sie sah sich selbst als kleines Mädchen auf der Schwelle an einem Streifen sticken, auf dem vorgegezeichnet stand: ›Allmächtiger Gott, sieh mich, Judith Sheramy, 4. Juli 1768‹. Drei Buchstaben mußte sie jeden Morgen in rotem Kreuzstich sticken, bevor sie draußen spielen durfte.
    Sie erinnerte sich auch an das grausame Naturspiel der furchtbaren Stürme, an die wilde Schönheit der Bäume, die sich wie mit schwarzer Tinte gezeichnet von dem gelblichen Himmel abhoben. Plötzlich stieg ein tiefes Heimweh in ihr auf. Sie wußte, daß sie nie wieder ein Schneetreiben oder armlange Eiszapfen sehen würde, die von der Dachtraufe herabhingen. Sie würde auch nie wieder in der Kirche hören, wie der Pfarrer den Dankgottesdienst abhielt, wenn ein kalter Frühling im April schüchtern seinen Einzug in das Hügelland hielt. Langsam nahm sie die Hände von den Augen und sah Philip an. Und wie von weither hörte sie die Worte des königlichen Gouverneurs, daß die Soldaten des Königs ein anderes Neuengland am großen Strom gründen sollten.
    Philip, der sie genau beobachtet hatte, schien ihre Gedanken zu verstehen. Er nahm ihre Hände in die seinen und trat dicht zu ihr. »Wenn die Bootsleute recht haben«, sagte er schlicht, »kommen wir morgen zu einem Hafen, den die Engländer New Richmond und die Franzosen Baton Rouge nennen. Dein Vater wird dort mehrere Tage lang rasten, um seinen Bootsleuten Ruhe zu gönnen. Ich hatte das auch vor, aber jetzt werde ich es nicht tun. Ich fahre so schnell wie möglich nach Dalroy hinunter, und wenn du dann ankommst, werde ich dich finden.«
    »Ja«, erwiderte sie zitternd.
    »Aber bis dahin«, fuhr er zärtlich fort, »wirst du mit deiner Familie zusammen sein und kannst über all das nachdenken.«
    »Ja«, sagte sie wieder.
    »Du Liebes!« Philip zog sie an sich, und diesmal machte sie nicht einmal den Versuch, Widerstand zu leisten. Sie legte die Arme um ihn und schmiegte sich an ihn. Eine Welle von Dankbarkeit und Verehrung kam über sie, so daß sie alles vergaß. Philip liebte sie! Wie lange sie sich umschlungen hielten, wußte sie nicht, aber
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