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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen
Autoren: Max Kruse
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über den Zaun. Jedes Geräusch erstarb. Man vernahm nur das
wütende Schnauben des Pferdes. Alle Blicke waren auf das große Kaninchen
gerichtet, das mit wiegend-watschelndem Schritt zu der tänzelnden Stute ging.
Cookie Pott lehnte sich weit über das Geländer, ich sah seine goldenen Ringe an
den Fingern glänzen und dachte unwillkürlich, daß er diese vielleicht opfern
mußte, wenn Onkel Rab aus dem Sattel geworfen wurde, woran ich im Augenblick
wenig zweifelte.
    Jetzt
standen sich das Kaninchen und die Stute Auge in Auge gegenüber. Die Männer,
die das Pferd zu bändigen versuchten, konnten sich das Lachen kaum verbeißen.
Onkel Rab blieb stehen und sah das Pferd starr an — es war wie ein Messen der
Kräfte. Pfefferkorn sog seinen ihr ungewohnten Geruch
mit geweiteten Nüstern ein. Onkel Rab kratzte sich im Nacken. Jetzt rührte sich
die Stute nicht mehr.
    »Sie
steht ungefähr so ruhig da wie ein Pulverfaß, bevor es explodiert«, knurrte
Onkel Berni.
    Onkel
Rab zog sich zusammen, und schon war er auf den Rücken geschnellt und preßte der überraschten Pfefferkorn seine Keulen in die Flanken.
Die Stute schnaubte.
    Dann
aber stieg das Pferd in die Höhe, als wollte es kerzengerade in den Himmel
springen. Die drei Männer flüchteten wie Hasen auf der Treibjagd. Die Stute
prallte mit den Vorderhufen auf dem Boden auf, als wollte sie dort nach
Petroleum bohren. Und als sei der Untergrund eine Sprungfedermatratze, wurde
sie erneut — diesmal mit allen vier Hufen — emporgeschleudert.
    Dann
raste sie über den Platz. Onkel Rab hüpfte auf und ab wie ein Gummiball. Aber
gekonnt hielt er seinen linken Vorderlauf so zur Seite, daß er den Leib des
Pferdes nicht berührte, denn das wäre gegen die Regel gewesen.
    Pfefferkorn
verwandelte sich in einen Kreisel, sie drehte sich auf die Hinterhand, sie
bockte, schlug wild mit den Hufen — dann wieder scheuerte sie am Zaun entlang.
    So
ging das eine kurze Zeit. Bald war die Stute mit Schaumflocken bedeckt. Dann
blieb sie wie angewurzelt stehen. Und plötzlich hatte sie einen wahrhaft
satanischen Einfall. Sie ließ sich wie ein Stein zu Boden fallen und wälzte
sich, die Beine nach oben schleudernd, im Staub.
    »Aus !« dachte ich, dachte an den Verlust von eintausend Dollar,
dachte daran, daß Wettschulden Ehrenschulden sind, fühlte eine erbärmliche
Übelkeit im Magen...
    Doch
Onkel Rab, ich weiß nicht wie — er kam auf die Füße, schien aber über dem Pferd
zu schweben. Irgendwie half ihm die Behendigkeit eines Kaninchens — und sowie
Pfefferkorn wieder auf ihre Hufe schnellte, war auch Onkel Rab auf ihrem
Rücken.
    Die
wütende Stute hatte wohl erwartet, ihren Reiter abgeworfen zu haben. Doch der
saß nun wie angewachsen. Verblüfft schüttelte sie die Ohren. Da hörte ich ihn
ein Wort rufen — ich verstand es nicht. Er schnalzte mit der Zunge — und
augenblicklich gab sie ihren Widerstand auf. Mit hängendem Kopf blieb sie
stehen.
    Onkel
Rab ordnete die Zügel. Wie Wachs wurde Pfefferkorn unter seiner Führung,
elegant setzte sie die Läufe, leichtfüßig trabte er mit ihr einmal um den Platz
herum, überquerte ihn dann zur Mitte und führte dort — zur größten Überraschung
— ohne Übergang und vorhergegangene Dressur die zwei schwierigsten Figuren der
Hohen Schule aus. Zunächst hob Pfefferkorn in der Levade die Vorderhand mit
angezogenen Vorderbeinen auf der Stelle und sprang dann dreimal hintereinander
in dieser Haltung vor, ohne niederzugehen.
    Danach
brachte er das Tier zum Stehen, streichelte über seinen Hals, nahm den Strohhut
ab und grüßte das Publikum. Zunächst war man sprachlos vor Staunen. Dann brach
ein Begeisterungssturm los, dessen orkanartige Stärke man nur versteht, wenn
man bedenkt, was ein Pferd für die Bewohner des Westens bedeutet.
    Mir
jedenfalls fiel mehr als ein Stein vom Herzen. Onkel Rab hatte glanzvoll
gesiegt. Und Mr. Horsemann zögerte nicht, mir mitzuteilen, daß Pfefferkorn mein
Eigentum sei. Die Blaskapelle spielte einen Tusch, Mrs. Miller schlüpfte unter
der Brüstung durch. Sie rannte leichtfüßig zu Onkel Rab, der wie ein Standbild
seiner selbst auf der Stute saß. Nun beugte er sich tief hinab, Mrs. Miller
reckte sich und gab ihm einen Kuß auf die rechte Kaninchenbacke.
    »Teufel
auch«, hörte ich Tante Turkie kollern, »jetzt wird er überschnappen !«
    Zufällig
fiel mein Blick auf Little-Byrd. Sie lächelte, aber mit einer zarten
Traurigkeit. Und ich wußte, warum: sie konnte nicht zu ihm
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