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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen
Autoren: Max Kruse
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Schatzkarte war, daß er sich unverzüglich auf die Suche
machen würde... ich brauchte all meine Selbstbeherrschung. Und was sollte ich
machen, wenn das Gespenst der Ranch heute nicht die Gnade hatte, zu spuken?
Vielleicht gefiel es ihm, uns tagelang an der Nase herumzuführen? Oder was tun,
wenn wir es nicht überreden konnten, sich einen anderen Ort für seine
nächtlichen Spaziergänge auszusuchen?
    Dann
— beschloß ich — müßten die Millers wohl oder übel
noch einmal auf das Entspuken ihrer Farm warten. Was auch immer geschah, morgen
brach ich auf. Der Tödliche Colt durfte niemals vor mir am zerfallenen Pueblo
eintreffen — selbst wenn ich zu Fuß marschieren sollte.
    Doch
das kam später. Vorläufig waren wir ja noch in der Miller-Ranch. Um der
Hausfrau Zeit zu lassen, sich zu beruhigen, fotografierte ich das Gebäude von
allen Seiten. Später, gegen Abend, gingen wir ins Haus. Cookie Pott kochte uns
in den verrußten Kupferkesseln der stilechten Küche eine wohlschmeckende
Okra-Suppe, ein für den Westen typisches Gericht aus Zwiebeln, Cumbofrüchten,
Tomaten und Paprikaschoten. Millie gab ihm das Rezept. Bald knisterte das Feuer
behaglich, und aus dem Kamin stieg schwarzer Rauch. Ihn sah ich viel lieber
dort herausquellen als Onkel Rab in der Rolle des Schornsteinfegers.
    Eigentlich
hätten wir ja Truhthahn oder Kaninchenbraten essen sollen, als echtes, deftiges
Westernmahl. Doch mit Rücksicht auf meine Vorfahren verzichtete ich darauf.
Onkel Berni hätte es sicher nicht gern gesehen, wenn wir an Knochen von Tieren
in der Gestalt Tante Turkies oder Onkel Rabs genagt hätten, noch weniger Onkel
Rab selbst. Übrigens regte sich auch in mir beim bloßen Gedanken daran
Widerwillen.
    Als
es dämmerte, zündeten wir die Petroleumlampe an, die alles in ein behagliches
Licht tauchte. Erwärmt von der Suppe, beflügelt auch von einigen Gläsern
Whisky, mit denen uns Mr. Miller bewirtete (er bewahrte einen kleinen Vorrat im
Keller auf, und das Gespenst rührte ihn nicht an, wie er angeheitert gestand),
begannen wir später ein Lied zu singen, das Cookie Pott gedichtet hatte. Es
handelte vom verrückten Lord und seinen grausigen Tieren, die den Wilden Westen
noch unheimlicher machten, als er sowieso schon war.
    Leider
habe ich den genauen Wortlaut vergessen. Niemand notierte ihn, und mein
Verstand war möglicherweise nicht mehr ganz klar.
    Aber
er war doch noch klar genug, die beiden Millers zu bitten, uns zu verlassen,
als die Nacht hereinbrach. »Gehen Sie — wir möchten mit dem Gespenst Ihrer Farm
alleine sprechen. Vielleicht ist es Ihnen gegenüber befangen — oder an
Vorschriften gebunden .«
    Doch
das war eigentlich unnötig, sie hatten nie die verwegene Absicht gehabt, der
Erscheinung ihres Hausgeistes beizuwohnen. Beim bloßen Gedanken daran sträubten
sich ihnen schon die Haare.
    Wir
geleiteten sie zu ihrem Wagen. Millie machte Onkel Rab sehr glücklich, indem
sie ihm freundlich das Fell zauste und einen Kuß auf seinen Nasenrücken
hauchte. In diesem Moment wäre er vielleicht sogar in den Rachen des Großen
Koyoten gehüpft.
    Da
knallte Mr. Millers Peitsche — sein Wagen rollte in die Dunkelheit.
    Wir
aber gingen in die Halle zurück, wo der Rauch in dichten Schwaden unter der
Balkendecke hing. Das allein war schon ein düsterer Anblick.

Cookie muß mal
     
    Wir
hatten von Mr. Miller erfahren, daß sich das Gespenst stets die große Halle als
Ort seines Erscheinens aussuchte. Ich riet daher Cookie Pott, sich oben in der
Schlafkammer niederzulegen und in seiner Stube zu bleiben, die Tür zuzuhalten
und sich die Ohren zu verschließen, was auch immer bei uns unten geschehen sollte.
    Er
dankte mir herzlich und stampfte die knarrende Treppe hinauf. Ich streckte mich
unter einer Wolldecke auf der Bank am Eßtisch nieder — während sich Onkel Berni
und Onkel Rab zwei Ecken aussuchten, wo sie sich verbergen wollten. Um das
Gespenst nicht zu verscheuchen, hatten wir die Petroleumlampe gelöscht. Der
Himmel dieser Nacht war bewölkt. Hin und wieder fiel ein Strahl des bleichen
Mondlichts durch die verstaubten Fensterscheiben. Da wirkten die Balken und
Holzstützen selbst wie Geister, überall sah ich verzerrte Gesichter, sonderbare
Gestalten... und bald wogte dies alles hinüber in meinen Traum. Irgendwann
waren mir die Augen zugefallen. Als ich sie wieder öffnete, drehte sich alles
um mich. Ich hatte Mühe, mich zurechtzufinden. Ich hörte ein Ächzen und
Krachen, ein unterdrücktes Stöhnen — ich
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