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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen
Autoren: Max Kruse
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ihren schlackernden, faltigen
Hals. Das ähnelte stark einem Verband — mit Little-Byrd war sie kaum zu
verwechseln. Mit einigen groben Stichen — mit Nadel und Faden — befestigte ich
die sonderbare Gewandung, so gut es eben ging. Auf ihre Stielbrille verzichtete
sie übrigens nicht. Dann schlüpfte sie in die Kiste, wir machten den Deckel zu
— und nun erlaubte ich Zirkus-Joe, mir das >Fotomaterial< in den Wagen zu
tragen.
    Das
alles hatte kaum zehn Minuten gedauert. In noch kürzerer Zeit jagten wir
zurück. Die Kiste hüpfte auf dem Wagenboden so wild auf und ab, daß mir um
Tante Turkie Angst geworden wäre, hätte ich mir nicht gesagt, daß menschliche
Maßstäbe auf sie nicht anzuwenden sind.
    Bei
der Ranch hatte sich nichts verändert. Höchstens, daß Mr. Miller und Cookie
Pott noch mehr zitterten, je mehr die Zeit verstrich — und der Tödliche Colt
sich ungeduldiger zeigte. Sein wüstes Gesicht war von Wut und Gier
gleichermaßen gezeichnet, und die arme Millie lehnte mehr tot als lebendig in
seinem Arm.

Friedlicher Abend
     
    Nun
brüllte der Gauner:
    »Ihr
Diener soll mir die Karte bringen und auf das Fensterbrett legen, Mister. Aber
keine falsche Bewegung, oder die Lady ist eine Leiche !«
    Ich
gab Cookie das Pergament, er legte es auf seine flach ausgestreckte linke Hand,
und mit der Vornehmheit des vollendeten Butlers trug er es zu dem Gauner
hinüber — als wolle er dem Präsidenten der Vereinigten Staaten einen Brief des
Königs von England überreichen.
    Der
Tödliche Colt riß die Schatzkarte an sich. Nicht den Bruchteil einer Sekunde
nahm er die Pistole von der Schläfe der unglücklichen Millie. Er hielt das
kostbare Pergament dem Großen Koyoten unter die Nase — und der schnüffelte
aufmerksam darüber hinweg. Jetzt war mir klar, daß er meine Fälschung nicht an
der Zeichnung, sondern am Geruch erkannt hatte: wie hätte ich das voraussehen
können!
    Nun
— die echte Karte fand also Gnade vor des Großen Koyoten Nase. Ich hörte ihn
knurren, auf eine schauerliche, mit pfeifenden Heultönen untermischte Weise:
»Stimmt !« Der Tödliche Colt forderte: »Die Kiste,
rasch !«
    »Lassen
sie Mrs. Miller frei !«
    »Mein
Wort !« gab er zurück. »Mir liegt nichts an ihr.
Stellen Sie die Kiste vor die Tür und halten Sie sich abseits...«
    Mr.
Miller und Cookie trugen die vermeintliche Goldkiste zum Haus und setzten sie
auf der Türschwelle ab. Der Tödliche Colt kam heraus, ohne Mrs. Miller aus dem
Arm zu lassen. Doch wirkte er zufrieden. Ihm folgte der Große Koyote — wie mir
schien, mit eingezogenem Schwanz und schrägem, scheuem Blick auf Onkel Berni.
»Sieh nach, was in der Kiste ist«, riet er seinem Spießgesellen.
    Doch dem brannte der Boden unter den Füßen. »Wenn ihr mich
betrogen habt, fürchtet meine Rache«, brüllte er. Er befahl, ihm den schwarzen
Mustang zu bringen, der hinter dem Haus angebunden war. Cookie führte ihm das
edle Pferd zu. Der Tödliche Colt schwang sich in seinen Sattel — immer die
Pistole auf Mrs. Miller gerichtet — , ließ sich die Kiste hinaufreichen, legte
sie quer vor sich über den Sattel, und gab dem Pferd die Sporen; jetzt erst
steckte er die Waffe in den Gürtel, so schnell, daß ihn bereits das Gebüsch
verbarg, ehe ich etwas hätte unternehmen können —wenn ich gewollt hätte: Ich
wußte ja, wer in der Kiste war. Tante Turkie, mach deine Sache gut!
    Der
Große Koyote folgte dem Tödlichen Colt wie ein geölter Blitz. Wir hörten die
beiden noch kurz, dann war es still. All unsere Fürsorge galt nun der armen
Millie. Abscheu und überstandene Angst hatten ihr Gesicht gezeichnet. Jetzt
weinte sie an der Schulter ihres Mannes. Ich winkte Cookie, Onkel Berni und
Onkel Rab. — Wir gingen taktvoll zur Seite. Freilich folgte mir Onkel Rab mit
Widerstreben, er grollte: »Ein Glück hat dieser Mann...« und schlackerte heftig
mit den Kaninchenohren, um auszudrücken, wie wenig er es verstand, daß Millie
Miller sich nicht an seiner Schulter tröstete. Onkel Berni machte ihm seine
Rechnung auf: »Wie ein Held hast du dich ihr gegenüber ja nicht gerade
benommen. Statt den Tödlichen Colt zu vertreiben, bist du in den Kamin
gesaust...«
    Onkel
Rab schwieg und guckte in die Luft.
    Langsam
kam der Abend. Ich war froh darüber — noch froher wäre ich gewesen, wir hätten
auch die Nacht schon hinter uns gebracht gehabt. Nicht wegen des Gespenstes, o
nein! Aber ich wurde von Ungeduld gepeinigt: zu wissen, daß der Tödliche Colt
im Besitz der echten
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