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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen
Autoren: Max Kruse
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versuchte mich aufzurichten, bemüht,
keinen Lärm zu machen.
    Etwas
Nebelhaftes bewegte sich die Treppe herab, die Gestalt einer Wolke. Gerade
jetzt tanzte ein winziger Mondstrahl darüber hin. Ich rückte weiter in die
Ecke, preßte meinen Rücken an die Wand, hoffte, daß Onkel Berni und Onkel Rab
ihren Kollegen aus dem Jenseits bald willkommen heißen würden.
    Doch
nichts geschah, nur daß sich das weiße Gebilde sehr langsam nach unten bemühte,
sehr langsam. Auf jeder Stufe verharrte es, ehe es weitertappte. Vielleicht war
sein Schritt, dieses zögernde Tappen überhaupt das Grauenhafteste an seiner
Erscheinung, gräßlicher noch als sein verschwommener Anblick.
    Endlich
gelangte es auf den Boden. Nun schien es zutraulicher zu werden, tappte nicht
mehr so schwer, schleifte oder schlurfte eher. Und es klang, als versuchte es,
den Atem anzuhalten. Auf diese Weise bewegte es sich zur Mitte der Halle. Da
sprangen Onkel Berni und Onkel Rab aus den Ecken, sie packten das Gespenst
hinten und vorne, Onkel Rab versetzte ihm einen gekonnten Schwinger — ich weiß
eigentlich nicht, warum sie mit ihresgleichen so umgingen.
    Jedenfalls
— das Gespenst stieß einen Schrei aus... Es riß mich vom Sitz, kannte ich doch
die Stimme nur allzugut. Ich fuhr den Unglücklichen an, mit dessen weißem
Bettlaken sich Onkel Berni und Onkel Rab gerade vergnügten: »Cookie! — Was in
drei Teufels Namen machst du hier unten ?«
    »Entschuldigung,
Mylord! Ich wollte ja niemanden wecken«, stammelte er, »es ist mir selber
unangenehm, aber ich mußte mal raus ins Freie... bißchen zuviel Suppe, und
danach bißchen zuviel Whisky !«
    »Habt
ihr ihn denn nicht erkannt ?« fragte ich Onkel Berni.
»O doch«, antwortete er, »aber so hat es uns mehr Spaß gemacht .«
    Da
ich annahm, Onkel Rab machte sich auch einen Spaß mit mir, indem er mir einen
spitzen Gegenstand in das Hinterteil drückte, rief ich »Laß doch den Scherz !«
    Mir
kräuselten sich die Haare.
    Nicht
etwa, weil mich der Anblick eines Gespenstes nach all den Erfahrungen mit
meinen Vorfahren noch sonderlich erschreckt hätte, sondern weil ich von Kind an
einen heiligen Respekt vor Stieren hatte. Sie waren mir immer als Urbild roher
Kraft erschienen.
    Vor
mir, nein unter mir drohte der wuchtige Umriß eines Büffelkopfes, die mächtig
breite Stirn, zwei urgewaltige Hörner! Und die Spitze des einen drückte eine
gewisse Vertiefung in meine Sitzfläche.
    »Ohhh...«
machte ich verblüfft. Und schloß die Lider, was jedoch eigentlich wenig
sinnvoll war, denn es herrschte ja sowieso ziemliche Finsternis im Raum. Alles
war nur schwarz in schwarz zu erkennen, mit einigen Tupfern Mondlicht.
    Als
ich die Augen wieder öffnete, waren mir Onkel Berni und Onkel Rab bereits zu
Hilfe geeilt. Diesmal jedoch nicht mit Boxhieben. Sie begrüßten unseren Gast
äußerst höflich und gaben sich als Schicksalsgefährten zu erkennen.
Augenblicklich ließ der Druck in meine vier Buchstaben nach. Der Büffelkopf
stieg empor, seine schnaubenden Nüstern kamen meinen Augen gefährlich nahe —
und das Gespenst röchelte: »Alles bleiche Bleichgesichter !«

    Es
war ein Indianer.
    Mit
Beruhigung nahm ich zur Kenntnis, daß er nur eine Büffelmaske trug, gleich
einem tanzenden Medizinmann. Seine Beine steckten in enganliegenden Lederhosen,
sie wirkten auf mich wie Schläuche.
    Sprachlos
standen wir zunächst einander gegenüber. Glücklicherweise unterdrückte ich die
Fragen nach seinem Befinden und nach dem Wetter... beides wäre doch zu
blödsinnig gewesen.
    Schließlich
erkundigte ich mich, ob das Licht angemacht werden dürfte, da ich das
indianische Gespenst gern genauer betrachtet hätte. Aber es — oder er —
beschwor mich, das nicht zu tun.
    Freundlicherweise
nahm die schattenhafte Gestalt aber den Büffelkopf ab und klemmte ihn sich
unter den Arm. Es schien mir, als ob er unter dem Arm noch etwas anderes trüge.
Ich fragte höflich: »Dürfen wir Ihnen etwas abnehmen ?« Da hörte ich Cookie einen unterdrückten Fluch ausstoßen und mit
zusammengepreßten Zähnen murmeln: »Verdammt! Wenn ich jetzt nicht gleich
rauskomme, gibt es ein Unglück !«
    »Verzieh
dich !« rief ich, und er machte, daß er in die freie
Natur kam, um sich dort zu erleichtern.

Der Geist des Truthahnes
     
    Dieses
äußerst menschliche Zwischenspiel hatte die Stimmung etwas gelockert. Ich
fragte: »Wollen wir nicht Platz nehmen ?« Der
Büffelgeist nickte, und wir setzten uns an den Tisch in der Nähe des
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