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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen
Autoren: Max Kruse
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die sagenhaften Stadtberge suchen, die ersten Pueblos, die
frühesten Felsendörfer. Du weißt, das sind in den Stein gehauene Wabenbauten,
die mehrere Stockwerke hoch, geisterhaft unter der gleißenden Sonne liegen...«
    »Der
Herr soll mich bewahren«, brummte Cookie. »Wir haben doch hier gerade schon
genug von Gespenstern, und nun auch noch geisterhafte Wabenbauten !«
    »Wir
werden ja sehen. Mr. 5 Pinch jedenfalls
meinte, er könnte mich veranlassen, schon sehr bald in den Wilden Westen zu
reisen. Deshalb besuche ich ihn morgen in Seabridge 6 .
Ich nehme das Hochrad .«
    Cookie
Pott war nicht mit mir einverstanden.
    »Die
Leute werden sich noch mehr den Mund über Euch zerreißen. Es ist doch auch ein
zu sonderbarer Anblick, wie Ihr hoch oben auf dem Rad balanciert, in Eurem
schwarzen Frack...«
    »Man
muß mit der Zeit gehen«, antwortete ich. »Wir leben nun einmal im Zeitalter der
Erfindungen. Das Dampfschiff beginnt das Segelschiff zu verdrängen, das Fahrrad
das Reitpferd .«
    »Und
doch zweifle ich daran, daß Ihr Hochrad das geeignete Beförderungsmittel für
die Prärie ist, Mylord«, meinte Cookie. »Gibt es dort überhaupt Straßen? Und
außerdem: wie wollen wir von Schottland nach dem neuen Erdteil Amerika kommen ?« Ich schwieg. Cookie Pott hatte einen wunden Punkt
berührt: — ich hatte kein Geld für unsere Überfahrt. Deshalb beschloß ich,
schlafen zu gehen.

Der Spuk beginnt
     
    Mein
Schlafgemach lag eine Treppe höher als das Kaminzimmer, und genau über diesem.
Cookie begleitete mich mit dem dreiarmigen Leuchter hinauf. Unsere Schatten
tanzten auf den Wänden. Doch war das nicht das einzige, was uns auffiel. Wir
glaubten, es hinter den Ecken und Möbelstücken wispern, knacken und huschen zu
hören.
    »Wetten,
wir kriegen heute nacht noch Besuch«, murmelte Cookie, indem er mir eine gute
Nacht wünschte.
    Sein
Zimmer befand sich neben dem meinen, und ich hörte ihn noch eine ganze Weile
auffällig brummen und summen. Bald aber vernahm ich sein lautes Schnarchen.
    Ich
ließ die Kerze auf dem Tischchen neben meinem Bett brennen. Ich liebe es, bei
ihrem matten Schein noch ein wenig nachzudenken. Doch heute mußte ich mich mit
der bitteren Tatsache beschäftigen, daß meine finanziellen Mittel erschöpft
waren. Zwar entstamme ich einem uralten schottischen Adelsgeschlecht, doch
bedeutet das keineswegs auch Reichtum. Ich bin der letzte Lord Shnatterman.
Mein Vorname ist Mac 7 . Der Allerjüngste
bin ich nicht mehr. Bis heute hatte mir das, was mir meine Vorfahren
hinterließen, einen bescheidenen Lebensstil ermöglicht. Doch wenn ich seit
einiger Zeit so oft zum alten Samuel Pinch nach Seabridge radelte, so nicht
nur, um von ihm Objekte für meine Indianer-Sammlung zu erwerben. Immer häufiger
biete ich ihm Gegenstände aus dem Familienbesitz an, kleine Möbelstücke, Bilder
und silbernes Besteck. Schon dachte ich daran, den Stammsitz meiner Familie,
Bloodywood-Castle, zu verkaufen. Doch ein so schändliches Vorhaben kann keinen
kalt lassen, der den Namen Shnatterman trägt — oder einmal getragen hat. Das
sollte ich nur zu bald erfahren.
    Nicht
als ob Bloodywood-Castle ein besonders schöner oder auch nur behaglicher
Wohnsitz gewesen wäre. Die düstere, graue Burg erhob sich auf einem einsamen
kahlen Hügel, rings umgeben von braunen Wiesen, Sümpfen und Mooren. Besonders
bei Nebel, Dämmerung oder in blassen Mondnächten sah sie unheimlich aus: ein
uraltes Gebäude mit zahllosen Giebeln, klobigem Turm und mächtigen
Schornsteinen, aus denen sich der Rauch in phantastischen Gebilden
herausquälte. Die Mauern bröckelten, das Dach war löcherig und ließ an vielen
Stellen das Regenwasser durchtröpfeln. Nur daß grüner Efeu die Wände
emporkroch, erzeugte Wohnlichkeit.
    Ich
grübelte und grübelte. Was für ein zweifelhaftes Erbe hatte ich angetreten,
ich, der Nachfahre eines Geschlechtes, das niemals kleinlich darin gewesen war,
jemanden vorzeitig ins Jenseits zu befördern... einen Kopf kürzer zu machen...
ihm einen Stahl in den Rücken zu rammen.
    Möglicherweise
war ich über diesen und ähnlichen Gedanken eingenickt. Als ich erwachte, war
meine Kerze erloschen. Es herrschte absolute Pechfinsternis.
    Ich
richtete mich stocksteif auf, um besser hören zu können. Und wußte: ich war
nicht allein im Zimmer.
    Leise
tastete meine Hand nach dem Nachttisch, um die Zündhölzer zu ergreifen. Doch
sie waren verschwunden. Es mußte sie jemand weggenommen haben. Das verursachte
mir leichtes
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