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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen
Autoren: Max Kruse
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murmelte er. »Ich weiß nicht einmal, wie alt sie jetzt ist. Mein
Sohn — ihr Vater also — ist tot, ihre Mutter auch. Beide kamen bei einem großen
Brand ums Leben. Und meine Enkelin — wir nannten sie Blossom 9 — wurde von freundlichen Nachbarn aufgenommen.
Doch bei denen war sie bald nicht mehr. Ich kann es mir nicht verzeihen, daß
ich sie nicht gleich zu mir nahm...«
    »Wo
war sie denn ?«
    »Wir
wissen es nicht. Es kam eine fahrende Truppe ins Dorf. Spielleute, Tänzer,
Gaukler. Als diese weitergezogen waren, fehlte auch Blossom. Wir fanden niemals
eine Spur von ihr .«
    »Sie
meinen, die Spielleute haben sie geraubt ?«
    »Das
will ich nicht behaupten. Ich glaube vielmehr, daß sich das neugierige, nun
elternlose Mädchen ihnen angeschlossen hat. Vielleicht lenkte sie das bunte
Leben von ihrem Kummer ab. Und als die Spielleute merkten, daß sie bei ihnen
geblieben war, hatten sie wohl Mitleid mit ihr und wußten auch nicht, woher das
Kind kam und wie es hieß. Aus Angst vor Strafe nahmen sie es bei sich auf und
verließen Schottland. All unsere Nachforschungen blieben erfolglos. Das
einzige, was wir erfahren konnten, war, daß die Truppe mit einem
Auswandererschiff nach Amerika reiste. Dort blieb sie verschollen .«
    »Und
Sie glauben, ich könnte Blossom finden ?«
    »Ich
hoffe es. Sie soll wissen, daß sie noch einen Großvater hat. Vielleicht geht es
ihr schlecht. Dann kann ich ihr helfen. Vielleicht geht es ihr gut. Dann werde
ich ruhiger sterben .«
    »Wenn
ich ihr begegnen sollte, wie kann ich sie erkennen ?« Der alte Samuel Pinch hob beide Hände ein wenig, um mir zu zeigen, daß er es
auch nicht wußte. »Ich werde darüber nachdenken«, meinte er nur. »Und ich
glaube, ich werde etwas finden .« Er schwieg und schien
ganz in seinen Erinnerungen zu versinken. Da dachte ich, für mich sei es nun Zeit
zu gehen. Doch Mr. Pinch hielt mich mit einer leisen Berührung an der Jacke
fest. »Ich versprach Ihnen zwei Überraschungen, Mylord...«
    »Eine
Schatzkarte und eine Enkelin — sind das nicht zwei ?«
    »Meine
Enkelin meinte ich nicht«, antwortete er. »Ich erwarb von dem Matrosen noch
einen anderen, vielleicht ganz wertlosen Gegenstand .«
    »Wertlos?«
    »Sehen
Sie selbst, hier !« Er hielt mir ein kaum
handtellergroßes Stück Leder hin.
    Ich
drehte und wendete das Leder. Ich trat ans Kellerfenster. Da, bei einer bestimmten
Bewegung, schien es mir, als ob etwas silbern aufblitzte. Ich stieß einen Ruf
der Überraschung aus, versuche es noch einmal: kein Zweifel, das Leder war mit
winzigen, silbernen Schriftzeichen bedeckt, die nur sichtbar wurden, wenn das
Licht in einem bestimmten Winkel darauffiel. Ich erbat mir von Samuel Pinch ein
Blatt Papier und einen Bleistift und malte die Zeichen sorgfältig ab, so genau
ich es vermochte. Das Leder war mit einer Bilderschrift bedeckt. Doch was mich
am meisten erregte, war, daß das erste Bildzeichen genau dem Büffelkopf auf der
Schatzkarte glich. Dieses Leder und diese Karte gehörten zusammen.
    Ich
sah einen Indianer mit dem Büffelkopf. Er war offenbar tot. Die
Bestattungszeremonie war deutlich dargestellt. Aber der Geist des Toten schien
keine Ruhe zu finden. Er wurde umdrängt von bösen Dämonen. Da war ein Truthahn,
der ihn umkreiste und die Dämonen vertrieb. Da war ein verfallenes Pueblo. Dann
waren Kinder in dem Pueblo, da waren Indianerfrauen, die ihre Wickelkinder in
den Schlaf sangen. Da waren Indianer, die auf dem Feld arbeiteten. Und da war
endlich wieder die Gestalt des tot darniederliegenden Häuptlings mit dem
Büffelkopf. Der Truthahn breitete schützend seine Schwingen über ihn — und
dahinter schien sich ein Tor zu öffnen, ein Tor in die ewigen Jagdgründe...
    Nun
glaubte ich, meiner Sache sicher zu sein. »Wenn ich diese Bilderschrift richtig
lese, dann bedeutet sie ungefähr soviel: Häuptling Großer Büffel ist gestorben.
Er findet aber keine Ruhe. Böse Gedanken verfolgen ihn bis ins Grab. Ein
Truthahn wird ihn erlösen. Und wenn in seinem Pueblo wieder Indianerkinder
spielen, wenn die Squaws ihre Säuglinge dort wieder in den Schlaf singen
werden, wenn die Männer wieder auf dem Feld arbeiten, dann findet Häuptling
Großer Büffel mit seinem Volk endlich vollkommen Frieden, dann öffnet sich für
ihn das Tor zu den ewigen Jagdgründen. Dies ist ein hochinteressantes Stück für
meine Sammlung. Doch darüber hinaus hat das Leder keine Bedeutung für mich .«
    »Man
kann nie wissen —«, meinte Samuel Pinch prophetisch.
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