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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen
Autoren: Max Kruse
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dann auch drei Stunden später wohlbehalten in
Bloodywood-Castle an. Mein Elternhaus! Schon von weitem sah ich es sich
dunkel-drohend auf dem einsamen Hügel erheben! Wie oft hatte ich doch im Herbst
vom Turm über die neblige Heide geschaut, wo die einzelnstehenden Weidenbäume
wie Gespenster wirkten. Dies alles sollte ich verschleudern an einen Klotz wie
Mister Coolwater? Niemals!
    Wie
aber kam ich ohne Geld nach Amerika? Konnten wir eines der neuartigen
Dampfschiffe benutzen, die seit einiger Zeit über den Ozean fuhren, oder gelang
es mir wenigstens, zwei Plätze auf einem Segelschiff zu ergattern?
    Cookie
Pott erwartete mich bereits. Als ich mich ins Kaminzimmer zurückgezogen hatte,
um bei meinem abendlichen Portwein in wissenschaftlichen Veröffentlichungen
über die Vorzeit der Indianer zu lesen, trat er von einem Fuß auf den anderen.
»Mylord, heute ist Donnerstag... der erste Donnerstag im Monat !«
    »Ja
und?«
    »Am
ersten Donnerstag im Monat gehe ich immer zum Kartenspielen... Stammtisch,
Mylord, in Joes Gasthaus!«
    »So
geh !«
    »Aber
Mylord! Wer weiß, wie ich Sie dann wiederfinde — falls ich Sie überhaupt
wiederfinde. Womöglich enthauptet, gerädert, gehenkt oder gevierteilt.«
    »Du
meinst die Erscheinungen der vergangenen Nacht? Du gehst. Laß mich ruhig mit
den Geistern alleine !«
    Cookie
zuckte die Achseln. Dann bewegte er sich hinaus.

Es spukt weiter
     
    Nachdenklich
starrte ich in die prasselnden Flammen und streckte meine Kamelhaarpantoffeln
dem Feuer entgegen.
    Da
schreckte ich auf. Im Hof war der Trab eines Pferdes zu vernehmen. Um diese
Zeit? Cookie Pott konnte der Reiter kaum sein, er ging lieber zu Fuß.
    Nun
wurde es unter mir lebendig. Da befand sich noch ein Raum, den ich eigentlich
nie betrat. Meine Mutter hatte eine Zeitlang musikalischen Neigungen gehuldigt
und sich einen Flügel angeschafft. Seitdem wurde er nicht mehr benutzt. Aber
jetzt ertönte ein Konzert, das ich nur als mörderisch bezeichnen kann. Der
verstimmte Flügel wimmerte, wehklagte und zirpte, daß es einem die Schuhe
ausziehen konnte. Und dazu sang eine Stimme — eine Stimme, nun, wenn
Lungenkranke, schwindsüchtige Gespenster solche Stimmen haben, dann betätigte
sich hier ein solches künstlerisches Wesen.
    Ich
gestehe, daß ich es beruhigend empfand, daß das Feuer noch genau so prasselnd
brannte, wie vordem. Ich griff nach dem Buch und versuchte zu lesen.
    Es
gelang mir nicht.
    Ich
fühlte einen kalten Schauer im Nacken. Die Fensterflügel gingen knarrend auf.
Ein Windstoß fuhr ins Buch, in die Blätter. Ich griff nach dem Glas.
    Da
sagte eine dunkle Stimme: »Du hast das Fenster nicht zugemacht, Turkie 10 !« Der Ton kam wie aus
einem dunklen Kellergewölbe — wie aus einem leeren Faß.
    Die
Antwort war mehr ein Krächzen: »Man kann ja auch mal etwas vergessen...«
    Ich
stellte mein Glas ruhig auf den Tisch zurück. Währenddessen wurde das Fenster
geschlossen. »Besten Dank«, sagte ich. »Ich sitze nicht gern im Zug .«
    »Ach,
der liebe Junge«, kicherte es. Nun lasse ich mich wahrhaftig nicht von
jedermann »Lieber Junge« nennen. Langsam wandte ich den Kopf. Dann riß ich die
Augen auf und blinzelte ungläubig. Doch ich faßte mich rasch wieder.
    »Wie
ich sehe, haben Sie es sich schon bequem bei mir gemacht«, murmelte ich.
    Das
Zimmer lag im Halbdunkel. Nur der Feuerschein aus dem Kamin erhellte es mit
seinem rötlichen Licht.
    Und
in dieser bengalischen Beleuchtung erblickte ich zunächst eine alte, übergroße
Truthenne auf meinem Schreibtisch. Ihre kleinen Augen funkelten. An ihrem Hals
hing schlaffe Haut rot und faltig herab. Sie stand nur auf einem Bein. Und mit
den rechten Krallen hielt sie sich eine Stielbrille, deren lange silberne Kette
dreimal um ihren dürren Hals geschlungen war, vor die Pupillen.
    Sie
starrte mich mindestens so unverwandt an, wie ich sie. Endlich kollerte sie:
»Ja, er ist doch ein echter Lord Shnatterman. Was meinst du, Berni 11 ? Ein bißchen dünn ist er nur. Ob er vielleicht
zu wenig kräftige Brühe ißt? Er sollte viel kräftige Brühe essen !«
    Nun
ertönte ein kräftiges, heiteres Lachen aus dem linken Sessel: »Truthahnbrühe!
Hihihihi...« Hier räkelte sich ein überlebensgroßes Kaninchen. Ich will sagen,
dieses Kaninchen hatte ungefähr die Größe eines zwölfjährigen Knaben. Und auf
dem Kopf trug es einen schäbigen, gelben Strohhut, in dessen breite Krempe
Löcher für seine Ohren eingeschnitten waren. Sie ragten daraus hervor, und das
Tier
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