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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen
Autoren: Max Kruse
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    Dieser
Besucher machte mir durchaus keinen unheimlichen Eindruck. Doch konnte ich mich
nicht lange mit ihm beschäftigen, weil nun eine dritte Stimme aus dem rechten
Sessel neben dem Schreibtisch knurrte: »Vielleicht leihst du ihm einen deiner
Löffel zum Schlürfen der Truthahnbrühe, Rab 12 !«
    Das
Kaninchen kicherte wieder. Es klang fast ein wenig albern. Ich aber schaute den
Dritten an. Er flößte mir ein gewisses Vertrauen ein. Als habe er sein ganzes
Leben lang in diesem Stuhl gesessen, hockte da ein mächtiger Bernhardinerhund,
groß wie ein Kalb. Er stützte seine Vorderpfote auf die Armlehne und schlug die
Hinterbeine übereinander — wie ein gemütlich sitzender Mensch. Und jetzt roch
ich es: unverkennbar Tabaksqualm. An was erinnerte er mich nur? Der
Bernhardiner hatte eine Pfeife im Maul. Jetzt, als er daran zog, leuchtete der
brennende Tabak auf. Ich sah das Hundegesicht deutlicher: Ja, das war der
Totenschädel von gestern Abend, nach dem ich den Stuhl geschleudert hatte. Die
Tabakspfeife war nach unten gekrümmt. Bläulicher Rauch kräuselte aus ihr hervor.
Und als der Hund bemerkte, wie gebannt ich diesen Gegenstand musterte, brummte
er: »Ich brauche sie niemals anzuzünden, sie brennt immer! Das ist
unvorstellbar praktisch. Früher — ich meine damals — also ich meine — nun eben
früher, da mußte ich sie ständig anzünden. Immer wieder ging sie aus — sehr
lästig !«

    »Kann
ich verstehen«, sagte ich. »Mit wem habe ich das Vergnügen ?«
    »Sollen
wir es ihm sagen ?« fragte die Truthenne.
    »O
nein, er soll raten«, rief das Kaninchen eifrig. Es wechselte vergnügt die
übereinandergeschlagenen Hinterfüße.
    »Ich
bin es eigentlich gewöhnt, daß meine Besucher sich vorstellen«, meinte ich. Ich
lehnte mich im Sessel zurück und trank einen Schluck Portwein. »Wer sind Sie ?«
    »Das
muß unser Geheimnis bleiben .«
    »Aber
wir dürfen ihm doch wenigstens sagen, daß wir mit ihm verwandt sind, seine
Vorfahren gewissermaßen«, sagte das Kaninchen.
    Ich
sagte: »Das dachte ich mir beinahe. Allerdings wußte ich natürlich nicht, daß
sich unter meinen Vorfahren... unter meinen Ahnen Hunde, Kaninchen und
Truthühner befanden .«
    »Das
braucht dich nicht zu beunruhigen, Mac«, sagte der Bernhardiner. »Nein, es
befanden sich gewiß keine Hunde, Kaninchen und Truthühner unter deinen
Vorfahren. Wir sind — um es verständlich auszudrücken — in einer Verkleidung
hier. Ich denke, du hast schon einmal etwas von Seelenwanderung gehört? Das muß
dir genügen. Du darfst uns glauben, daß wir lieber in unserer früheren,
menschlichen Gestalt zurückgekommen wären. Aber es ließ sich nicht machen. Es
gibt höheren Ortes gewisse Regeln...« Dann meinte er: »Aber das soll uns nicht
hindern, diese Zeit in vollen Zügen zu genießen. Übrigens kannst du natürlich
>Du< zu uns sagen .«
    »Danke!
Wie soll ich euch anreden ?«
    »Sag
einfach Onkel und Tante zu uns. Onkel Berni zu mir, Onkel Rabbit 13 — oder Onkel Rab zu diesem Kaninchen — und
Tante Turkie zu der Dame.«
    So
war das geregelt. Aber etwas anderes machte mir noch Kopfzerbrechen. Onkel
Berni — so nannte ich ihn von nun an
    —
Onkel Berni hatte davon gesprochen, diese Zeit in vollen Zügen zu genießen.
Diese Zeit? Was war darunter zu verstehen?
    »Wie
lange könnt ihr bei mir bleiben«, fragte ich daher. »Es ist bereits halb eins .«
    »Und
du hoffst, um eins wäre die Geisterstunde zu Ende und wir müßten dich
verlassen? Irrtum, wir haben längeren Urlaub bekommen !«
    »Wie
schön! — Allerdings... ich wollte bald verreisen .«
    »Das
ist doch kein Hinderungsgrund, wir reisen mit dir !« knurrte Onkel Berni. Und das Kaninchen kicherte.
    »Aber
was wird man von mir denken, wenn ich mit einem kalbsgroßen Bernhardiner, mit
einem burschengroßen Kaninchen und einer mädchengroßen Truthenne auftrete...
mit ihnen spreche... Onkel und Tante zu ihnen sage«, rief ich unglücklich.
    »Der
verrückte Lord — daran bist du ja schon gewöhnt !« sagte Onkel Rab.
    »Du
kannst doch behaupten, daß du uns dressiert habest«, schlug Tante Turkie vor.
    »Oder
daß du Bauchredner bist«, brummte Onkel Berni. Meine Bedenken schienen sie zu
belustigen.
    »Verlaß
dich darauf, daß du dir mit unserer Hilfe Achtung verschaffen wirst«, meinte
Onkel Rab.
    »O
ja, wir werden dir nützlich sein«, bestätigte mir auch Onkel Berni milde. Er
paffte wie ein Schlot.
    »Aber
wie soll ich verhindern, daß man
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