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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen
Autoren: Max Kruse
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betretene Gesichter. Glücklicherweise brauchten wir nicht
lange herumzurätseln. Der Tödliche Colt zeigte sich am offenen Fenster. Mit
einem Arm umklammerte er die eingeschüchterte Millie. Er hatte ihr die Hände
auf dem Rücken zusammengebunden und ihren Mund mit dem dunkelroten Tuch so dick
verschnürt, sie so geknebelt, daß sie nur dumpfe Laute ausstoßen konnte.
    In
der rechten Faust hielt der Tödliche Colt sein mörderisches Schußwerkzeug: er
preßte es der armen Frau an die Schläfe. Eine teuflische Situation! Und neben
den beiden erschien nun auch noch der zottige Kopf des Großen Koyoten. Er
stützte die Vorderpfoten aufs Fensterbrett — und wie ich ihn da so mit seinem
strubbeligen Fell erblickte, hatte ich die Vision eines unrasierten Seeräubers.
    Nun,
aber jetzt war nicht der richtige Moment, sich über die Erdentage des Großen
Koyoten Gedanken zu machen — auch nicht darüber, ob er wirklich ein Vorfahre
Mr. Coolwaters aus Seabridge 29 sei.
    Der
Tödliche Colt, stets die Pistole an Mrs. Millers Schläfe, schrie: »Mister! Sie
haben eine Stunde Zeit! Bringen Sie mir die richtige Schatzkarte...«
    Der
Große Koyote, den ich noch niemals hatte reden hören, hatte die Gnade, jetzt
einmal sein Maul aufzumachen: »Du lächerlicher Nachkomme der noch
lächerlicheren Lord Shnattermans! Hast Du geglaubt, mich betrügen zu können?
Eine so stümperhafte Fälschung! Ein kurzer Blick von mir genügte...«
    Der
Tödliche Colt unterbrach seinen edlen Gefährten: »Die echte Schatzkarte,
Mister, dazu die Kiste voll Gold, die Kiste voller Nuggets von dem verdammten
Indianer. Oder die Lady hat eine Kugel zuviel im hübschen Köpfchen !«
    Ich
wollte mich aufs Verhandeln verlegen, aber Onkel Berni riet mir, ich solle auf
alle Bedingungen eingehen. Auch Onkel Rab drängte, an allen Kaninchengliedern
schlotternd, zur Eile, und ich konnte es mir nicht verkneifen, ihn zu fragen:
»Ich wundere mich, lieber Rab! Ist denn der Gedanke, Millie könnte sterben,
auch für dich schrecklich? Solltest du dich nicht im Gegenteil freuen, wenn sie
ins Jenseits... zu dir... geschickt würde ?«
    Da
fauchte er mich an: »Davon verstehst du nichts. Eine lebendige Frau aus Fleisch
und Blut ist unvergleichlich viel schöner als ein — genug! Auch hätte ich kaum
eine Chance, eine Amerikanerin dort wiederzutreffen, wo wir drei uns
notgedrungen aufhalten .«
    Onkel
Berni hatte es nicht gern, wenn über dieses heikle Thema gesprochen wurde. Er
knurrte ungeduldig. Aber nicht er allein, auch Mr. Miller flehte, ich möge
rasch helfen, und der Tödliche Colt wiederholte seine Drohungen noch
bösartiger. Da stieg ich auf den Wagen, Onkel Berni und Tante Turkie
begleiteten mich. Onkel Rab, Mr. Miller und Cookie Pott jedoch blieben bei der
Ranch, um den Tödlichen Colt und Millie keine Sekunde aus den Augen zu lassen.
    Wir
jagten über die Landstraße zurück, in den Hinterhof des Hotels. Wir stürmten in
mein Zimmer empor. Mit fliegenden Händen fischte ich die richtige Schatzkarte
aus meiner Reisetasche. Dann die Kiste — aber ich fragte Onkel Berni: »Ich
hätte ihm doch erklären müssen, daß sie kein einziges Goldstück enthält !«
    »Das
würde er nicht geglaubt haben. Laß mich nur machen«, antwortete er. Auf sein
Verlangen leerte ich die Kiste von allem Fotomaterial. Danach versuchte Onkel
Berni, sich hineinzulegen, doch wie sehr ich ihn auch zusammenpreßte, es war
unmöglich, den Deckel zu schließen. Der Bernhardiner war einfach zu groß. Und
ich wunderte mich: »Daß auch einer von eurer Art Schwierigkeiten mit seinem
Leib haben könnte, hätte ich nie gedacht !«
    »Das
ist ein verdammtes Problem! Es ergibt sich immer wieder, wenn wir uns
materialisieren, zu Körpern werden«, knurrte er bitter und stieg aus. »Tante
Turkie muß rein !«
    »Mit
tausend Freuden !« rief sie. »Wie glücklich wird er
sein, wenn er mich auspackt !«
    »Ja,
du bist ein wundervoller Goldklumpen«, bestätigte er ihr.
    Und
sie: »Um die Überraschung noch größer zu machen, verkleide ich mich — los, holt
den Ballettrock und das Leibchen von Little-Byrd...«
    Wir
taten es, und da die Zeit flog, die halbe Stunde bald abgelaufen war, erklärte
ich Little-Byrd und Zirkus-Joe nur, daß ich die Sachen für eine Fotoaufnahme
»Stilleben mit Ballettrock« verwenden wolle.
    In
mein Zimmer ließ ich die beiden nicht blicken.
    Hier
zog sich Tante Turkie den weißen Spitzenrock über den Truthennenkörper, und
irgendwie wickelte sie das feine Leibchen um
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