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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung
Autoren: Kathrin Gerlof
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Rätsel gewesen. Was soll die Eieruhr im Bad, hatte sie Hanns gefragt, als sie das Ding auf der Konsole zum ersten Mal gesehen hatte. Das war unfreiwillig komisch. Wenn du mich nicht ranlässt, hatte er geantwortet, fangen meine Eier an zu kochen. Und dann kippe ich das Stundenglas. Ist der Sand durchgelaufen, weißt du, dass die Eier hart sind. Da war es schon an der Zeit, dass sie auch so etwas eklig fand. Diese Sprüche von ihm, dieses notgeile Geschwätz, das ihr ein schlechtes Gewissen bereiten sollte. Die Uhr war auf der Konsole geblieben. Und jetzt zeigt sie sieben Uhr dreißig.
    Wann wird Hanns anrufen? Wann stehen die beiden auf? Wann reden sie? Wann kriegt sie ihren Sohn? Veronika läuft ins Schlafzimmer und schaut, ob sie Nachrichten aus Frankenburg hat.
    Melde mich gleich nach dem Frühstück. Tut mir leid. Kuss.
    Das ist also die Nachricht des Morgens, sagt Veronika. Und wann ist nach dem Frühstück? Und was tut dir leid? Und ich will keinen Kuss. Du verrätst mich, Hanns Grabowski. |331| Du willst nicht, dass ich einen Sohn bekomme. Stimmts?
    Veronika geht in die Küche. Tee kochen, sagt sie. Tee kochen und ruhig werden. Kein Problem. Das mit dem Tee.
    Wie kann ich dich denn nehmen, wenn ich dich gar nicht mag? Du bist ja wüst vom Angesicht, verzeih mirs Gott, ich mag dich nicht. Geh, schere dich, geh, packe dich und schau mich gar nicht an!
    Sie entscheidet sich für schwarzen Tee. Der wird den Magen beruhigen und ein bisschen Schwung ins Leben bringen. Ein totenschwarzer Tee ist gut.
    Ich glaub, du bist besoffen, du dummer Gockel du! Ich scher mich nicht, kehr mich nicht dran, ich hab bald einen andern Mann. Ich scher mich nicht, ich scher mich nicht, ich scher mich nicht daran.
    Das ist gut. Das tut gut. Sie wird Hanns in den Wind schießen. Ihren Sohn nehmen, Hanns in den Wind schießen. Ihren Sohn nehmen, Hanns in den Wind schießen, Martin Wagemut in ihr Herz schließen. Reimt sich, flüstert Veronika. Schießen, schließen. Jetzt brauche ich noch was mit gießen. Bis nach dem Frühstück in Frankenburg vergeht noch eine Ewigkeit. Die muss ich umbringen. Rumbringen.
    Wie bringt man eine Ewigkeit rum? Sie hat keine Ahnung. Putzen. Vielleicht hilft putzen. Verbinden wir doch das Unangenehme mit dem Nützlichen, säuselt Veronika und trinkt ihren Tee. Der schmeckt, als könne er nie im Leben ihren Magen beruhigen. Aber sie trinkt verbissen zwei große Tassen leer. Schaut aus dem Fenster und macht einen Putzplan. Bett beziehen, Fenster putzen, Türen abwaschen, Staub saugen, Fußböden wischen. Sie kann richtig viel Zeit totschlagen, wenn sie es clever anstellt.
    |332| Saugen geht nicht, sagt Veronika laut. Dann höre ich das Telefon nicht. Wenn ich sauge.
    Also Fenster putzen. Veronika wird emsig. Sie hastet und rennt durch die Wohnung. Zieht das Bett ab, bezieht es neu, wischt alle Türen mit Essigwasser sauber, räumt den Kühlschrank aus und wieder ein, steigt auf einen Stuhl und putzt die Lampen. Sie hinterlässt eine saubere Spur der Verwüstung. Dinge, die seit Ewigkeiten an ihrem Platz stehen, werden in den Schrank geräumt, eine Kiste füllt sich mit Büchern, die Veronika nie wieder anfassen will. Und ob sie Hanns etwas bedeuten, ist ihr egal. Sie schmeißt Stig Dagerman obendrauf. Ein Kind töten, wie oft hat sie diese Geschichte gelesen? Ihr fehlen die Worte dafür, was das gewesen war. Diese Sucht nach solchen Geschichten, in denen sie sich finden wollte und immer nur verloren hat. Das kann alles weg. Sie wird es der Bibliothek vor die Tür stellen. Die können Ein Kind töten ins Regal packen, und andere Nichtmütter können es sich ausleihen. Sie werden es lesen und lernen, froh darüber zu sein, dass ihnen ein Kind nicht getötet werden kann.
    Was man nicht hat, kann man nicht verlieren, sagt Veronika und klebt die Bücherkiste zu. Alles, was du hast, hat irgendwann dich, sagt sie und holt eine weitere Kiste aus der Kammer, um noch mehr Bücher zu entsorgen. Was du getötet hast, sollst du auch lieben. Hinter den Büchern hat sich der Staub in dünnen Schichten auf die Regale gelegt. Das schafft neue Arbeit und frisst noch mehr Zeit. Bald wird Hanns anrufen. Dann muss sie fertig sein mit Aufräumen. Es ist schon zehn Uhr. Lange kann es nicht mehr dauern.
    Um halb elf setzt sich Veronika an den großen Esstisch, legt das Telefon vor sich und wartet darauf, dass es klingelt.

|333| 28. Kapitel
    Hanns schleicht sich fort. Er versucht es. Aber Katja Schwenker wacht auf und sagt, mach dir
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