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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung
Autoren: Kathrin Gerlof
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verbringen. Zum ersten Mal präsentierte sich der Sänger Kevin Pohl dem begeisterten einheimischen Publikum, gefolgt von der Blaskapelle der Freiwilligen Feuerwehr. Viel gelacht wurde bei dem Auftritt des bekannten Comedian Frank Burger, eines Kindes unserer Stadt, das inzwischen auch über die Landesgrenzen hinaus seine Fans gefunden hat. Manchem Stadtvater mag die scharfe Zunge von Frank Burger nicht so gefallen haben, das Publikum aber war begeistert. Vor allem, als der Künstler den Bau des neuen Fußballplatzes aufs Korn nahm, bei dem es gelungen war, durch Pfusch und Sparen an der falschen Stelle ein abschüssiges Spielfeld zu fertigen. Da hätte die Frankenburger Elf nun keine Mühe mehr, den Ball ins Tor zu bekommen, witzelte Frank Burger. Vorausgesetzt, sie spielten in der richtigen Hälfte.
    Daniel grinst. Großartig, wie du das aus dem Ärmel schüttelst. Jetzt noch die Schlagzeile. Da bist du doch König.
    Frankenburger feiern Heintjes Auferstehung.
    Gut. Das ist gut. Ich hoffe, dein Praktikant kriegt das so hin.
    Kriegt er nicht. Der kann nicht mal ’ne ordentliche Bildunterschrift texten. Aber er strengt sich an. So viel lässt sich sagen.
    Sie laufen durch die Frankenburger Straßen, inzwischen ist es richtig dunkel, und sie schweigen. Daniel macht große Schritte. So groß, dass Hanns anfängt darüber nachzudenken, ob der Junge nun doch versucht wegzulaufen. Renn nicht so, sagt er, und Daniel bleibt kurz stehen.
    Bin ich dir zu schnell?
    Weiß nicht, renn einfach nicht so, dann ist es gut.
    |320| Sie brauchen fast eine halbe Stunde bis zum Marktplatz. Hanns denkt beim Laufen an Katja Schwenker, die er nun verprellt hat. Dabei waren das in der letzten Nacht die ruhigsten Stunden der vergangenen Monate. Zwischen großen weichen Brüsten zu liegen, einmal noch, bevor alles sich neu sortiert, erscheint ihm in diesem Augenblick verlockend. Ich habe aufgehört zu atmen denkt er, bestimmt habe ich aufgehört zu atmen, als ich da zwischen ihren Titten lag. Und dann fehlte der Sauerstoff im Hirn, und ich bin eingeschlafen. Wieso hab ich sie vorhin so mies behandelt? Sie wird mich nie wieder ranlassen. Ich werde nie wieder ruhig schlafen.
    Da liegt ein Obdachloser neben eurer Redaktion, sagt Daniel und zeigt auf die gegenüberliegende Straßenseite.
    Der schläft oft hier, liegt auf unseren Zeitungen und pennt. Da weiß man wenigstens, wofür die ganzen Sätze gut sind. Und die Überschriften. Neun Tagesmuttis sind Männer, wie gefällt dir das? Daniel starrt weiter auf den schlafenden Mann im Hauseingang. Das ist blöd, sagt er abwesend und hört nicht auf zu starren. Kennst du ihn?
    Was hat Daniel mit dem Penner? Mit dieser nutzlosen Existenz, dieser Schwatzbacke. Hanns will weiter, weg hier will er. Der Typ da drüben hat ihm schon ein paar Mal ein Ohr abgekaut. Und er, blöd, wie er ist, hatte jedes Mal gedacht, man dürfe den armen Kerl nicht verprellen. Nur nicht arrogant sein, hatte er gedacht und sich den beschissenen Schwachsinn von dem senilen Schwachkopf angehört.
    Der will dort sein, Daniel, dem gefällt es auf unseren Zeitungen. Irene Paulsen legt manchmal einen Packen für ihn raus. Vor die Tür. Abends, bevor sie geht. Denkt, ich weiß es nicht. Denkt, mir ist es egal. Aber das ist es nicht. Auch wenn wir nur ein Wurstblatt machen, will ich nicht, dass dieser stinkende Kerl dort drüben sich damit den |321| Hintern wärmt. Oder abwischt. Aber die Paulsen ist unverbesserlich. Eine gute Seele ist sie, eine, die es nicht lassen kann, solche nutzlosen Gestalten zu bemitleiden. Sie glaubt allen Ernstes, die Gesellschaft ist daran schuld, wenn einer wie der da drüben für sich entscheidet auszusteigen. Treffen der roten Drehleitern, wie findest du die Überschrift?
    Daniel schreckt auf, macht den Eindruck, als hätte er etwas gegen den Themenwechsel einzuwenden. Schickt sich dann drein und lächelt. Ich finde sie nett. Was haben die roten Drehleitern denn bei ihrem Treffen beredet?
    Nun macht auch Hanns große Schritte, liegt gleichauf mit Daniel und überlegt, ob er ihn hier und jetzt, bevor sie in die Scharfe Ecke einkehren, noch einmal fragt. Aber er scheut sich, den Waffenstillstand zu brechen. Versprochen ist versprochen, murmelt er. Morgen ist auch noch ein Tag, der Abend ist nicht klüger als der Morgen, Morgenstund hat Gold im Mund, der frühe Vogel fängt den Wurm.
    Daniel schielt ein wenig irritiert zu Hanns, hält aber den Mund, bis sie vor der Kneipentür stehen. Hier willst du noch
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