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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes
Autoren: Ulrike Renk
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sicher. Sie sind Psychologin, nicht wahr? Ich habe letztes Jahr mit Werner Bromkes zusammengearbeitet,
     er hat sie sehr lobend erwähnt.«
    Bromkes war Staatsanwalt in Aachen und mit uns befreundet.
    »Er hat mich lobend erwähnt? Wahrscheinlich, weil ich meine Gutachten schnell einreiche.« Ich lachte leise. »Die Rechnungen
     übrigens auch.«
    »Er hält Sie für hervorragend. Ich wollte Sie schon angerufen haben, aber dann kam diese Sache dazwischen …« Kemper stockte.
    Für einen Moment überlegte ich verwirrt, welche Sache er wohl meinte, doch dann ging mir auf, dass er von der Mordserie im
     Herbst sprach. Seitdem hatte ich keine Gutachten mehr angefertigt. Auch etwas, was ich wieder ändern musste.
    »Natürlich hält er mich für hervorragend. Er schätzt mein Lamm in Rosmarinsirup.« Wieder lachte ich, versuchte vom Thema abzulenken.
    »Über Ihre Kochkünste haben wir uns nicht unterhalten.« Kemper blieb ernst. »Wir suchen immer Spezialisten für die Espe.«
    Espe – die Datei von Experten und Spezialisten des BKA, in der auch Andreas geführt wurde. Ich spürte, wie eine leichte Röte
     meinen Hals hochstieg, meine Wangen wurden warm.
    »Ich bin Kinder- und Jugendpsychiaterin. Die Täter, die Sie suchen, sind aus der Altersklasse heraus. Ich fürchte, ich kann
     Ihnen nicht helfen.«
    Bevor er noch etwas sagen konnte, begrüßte ich die anderen flüchtig, dann ging ich ins Haus.

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    |15| Kapitel 2
    In der Tür zum Wohnzimmer blieb ich stehen. Ich ließ den nun fertigen Raum auf mich wirken. Die frisch abgeschliffenen Dielen
     hatten die satte Farbe von Honig. Die Wände waren in einem sanften Apricot gestrichen. Der Raum wirkte warm und gemütlich.
     Das lag auch an dem alten gusseisernen Ofen, der auf einer Edelstahlplatte in der Ecke stand, davor ein Ledersofa, das ich
     noch nicht kannte. Martin musste es in den letzten Wochen gekauft haben, ohne mir davon zu berichten.
    Langsam ging ich in den Flur, öffnete die nächste Tür. Hier stand der alte Esstisch. An der Wand war eine Anrichte aus Weichholz,
     darin das Geschirr. Halb abgebrannte Duftkerzen verströmten einen intensiven Geruch nach Vanille.
    Auf dem Tisch lagen Aktenordner und Spurenmappen. Vermutlich hatten sie hier gesessen, bis die Sonne sie auf die Terrasse
     gelockt hatte. Ich strich mit den Fingerspitzen über das schrundige Holz des Tisches.
    Aus der Küche hörte ich das Klappern von Geschirr, das Gluckern der Kaffeemaschine. Leise schloss ich die Tür des Esszimmers
     hinter mir, ging weiter durch den Flur. Ich warf einen Blick in die Küche. Maria hatte mir den Rücken zugewandt. Sie öffnete
     und schloss Schranktüren, nahm Becher, Zuckerdose und Milchkännchen heraus, arrangierte alles auf einem Tablett. Die Selbstverständlichkeit,
     mit der sie sich in meiner Küche zurechtfand, ärgerte mich.
    Ich überließ ihr die Arbeit und ging die steile Treppe nach oben. Links lag das Bad. Ich schaute nur kurz hinein. Hier hatte
     sich nichts verändert. Das Badezimmer war nach dem Schlafzimmer der zweite Raum gewesen, den wir renoviert hatten. Die alte
     Emaillewanne auf ihren Klauenfüßen lud zu einem ausgiebigen Schaumbad ein, etwas, was mir immer gut getan hatte. Später, versprach
     ich mir. Das Zimmer neben dem Bad sollte irgendwann mal ein Arbeitszimmer werden. Vielleicht auch ein Kinderzimmer, doch diese
     Möglichkeit lag |16| weit entfernt, schien immer unwahrscheinlicher zu werden. Ich erwartete staubige, abgestandene Luft, aber meine Erwartung
     erfüllte sich wieder nicht. Auch dieser Raum war neu verputzt und gestrichen worden. Die Wände waren weiß, so als wartete
     das Zimmer noch auf seine endgültige Farbe und Bestimmung. Auf dem Holzboden lag ein bunter Flickenteppich. Auch das Bett
     war neu, jemand hatte es frisch bezogen. In einer Ecke lag ein Rucksack. Ich zog die Tür wieder hinter mir zu, fühlte mich,
     als sei ich in fremdes Territorium eingedrungen. Die Tür zum zweiten Zimmer, eigentlich war es nur eine Abstellkammer mit
     Fenster, ließ ich aus. Noch mehr Überraschungen würde ich nicht verkraften.
    Vor unserem Schlafzimmer zögerte ich. Was, wenn Martin auch dort Veränderungen vorgenommen hatte, ohne es mir zu sagen? Schließlich
     drückte ich die Klinke. Mit dem vertrauten Knarren öffnete sich die Tür. Das Fenster stand auf, und der Duft sonnengewärmter
     Luft füllte den Raum.
    Charlie war mir auf meinem Erkundungsgang durchs Haus gefolgt. Misstrauisch hatte er in jedem Raum
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