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Löwe gut - alles gut

Löwe gut - alles gut

Titel: Löwe gut - alles gut
Autoren: Max Kruse
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Seine Lordschaft befand sich auf einer Weltreise, und Sultanien war das letzte Land, das er vor seiner Heimfahrt nach England besuchte.
    Schrecklicherweise war das Schiff von den Teufeln der Weltmeere überfallen worden — aber einem glücklichen Umstand und der Umsicht seines Dieners verdankte er es, daß ihm nur ein großer Koffer mit Reiseandenken gestohlen wurde. Auch das Schiff schien erfreulicherweise nicht schwer beschädigt. Zwar war es in finsterer Nacht auf eine Sandbank aufgelaufen, aber es vermochte sich einige Stunden später aus eigener Kraft wieder flottzumachen und lag nun im Hafen von Sultanien, bereit, in den nächsten zwei Stunden abzudampfen.
    Lord Pampelmouse hatte eine Nacht im Grand Hotel Sultanien verbracht, sich auf der Bank mit neuem Geld versorgt, und da er von der Heimkehr des Sultans gehört hatte, wollte er diesen auffordern, etwas gegen die Seeräuber zu unternehmen und dafür zu sorgen, daß er seinen Koffer wiederbekam. Nun, wir wissen, weshalb er damit keinen Erfolg hatte.
    Schlechtgelaunt schlenderte er durch den Basar. Sein Butler John schlenderte hinterher. John war immer auf musterhafte Weise um das Wohl seines Herrn besorgt. Manchmal war das Seiner Lordschaft sogar lästig, aber was half es? Ohne Diener wäre er kein richtiger Lord mehr gewesen. Die richtigen Lords sind ja sowieso im Aussterben begriffen.
    Sie sahen beide so vornehm aus, daß ihnen alle Sultanier Platz machten, damit sie ungehindert zwischen den Auslagen hindurchgehen konnten.
    So kamen sie auch an Mustafas Geschäft. Mustafa erkannte sofort, welch kostbarer, an Silberstücken reicher Fisch ihm da ins Netz ging, falls er, ja, falls er ihn dazu bewegen konnte, bei ihm einzutreten.
    Und das konnte er natürlich, denn Mustafa war schlau. Alles war mit seinem Gehilfen verabredet und bereits erfolgreich erprobt. Er stieß einen lauten Schreckensschrei aus, sprang auf die Gasse, packte den Lord und seinen Diener am Arm und riß sie in seine Teppichklause. Und klatsch! — krachte von oben ein mit Wasser gefüllter Tonkrug auf die Stelle, wo der Lord soeben noch gestanden hatte.

    Den Tonkrug hatte Mustafas Gehilfe absichtlich hinuntergestoßen, aber für den Lord mußte es so aussehen, als habe ihm Mustafa geistesgegenwärtig das Leben gerettet.

Ein Teppichmärchen

    Nun kann man sich nicht einfach mit einem Dankeschön von seinem Lebensretter verabschieden, so etwas sähe schön unhöflich aus! Man muß schon wenigstens ein paar Worte mit ihm reden, und so kommt man ins Plaudern, und die Dankbarkeit gebietet es, auch einen oder zwei Blicke auf die ausgestellten Teppiche zu werfen!
    Hier hatte Mustafa ein ganz seltenes Stück! Einen Teppich, der an Kostbarkeit alle anderen weit übertraf! Dieses Muster! Diese Webart! Diese prächtigen Farben und diese Wolle — welch ein Wunder von einem Teppich!
    »Hm«, brummte Seine Lordschaft, hin- und hergerissen zwischen Dankbarkeit und unverletzlichen Grundsätzen, »hm«, brummte er, »ein wirklich bemerkenswerter Teppich, in der Tat. Nur leider: Ich kaufe niemals etwas Neues! Ich kaufe nur wertvolle alte Stücke, Antiquitäten, Dinge mit Geschichte...«
    Ach, wie glücklich sich das traf! Wirklich, hier hatte das Schicksal sichtbar seine Hand im Spiel! Alles ist Fatum, Allah il Allah!
    Mustafa schlug die Hände zusammen und rief: »Aber dieser Teppich ist ja alt! Es ist der einzige alte Teppich in meinem Geschäft — ach, was sage ich, der einzige alte Teppich, den ich je in meinem Leben verkauft habe! Nie wieder werde ich so einen Teppich anzubieten haben, oh, er hat eine Geschichte, Euer Lordschaft, denken Sie nur, und was für eine Geschichte! Der Kalif von Bagdad schenkte ihn Fatima, der dreizehnten Tochter Harun al Raschids, die man die >Blühende< und >Duftende< nannte, er schenkte ihn ihr, weil er vor Liebe zu ihr entbrannte, aber Fatima hat den Teppich nie erhalten, denn die vierzig Räuber... Kennt Seine Lordschaft die Geschichte von Ali Baba...?«
    Lord Pampelmouse lernte diese und noch viele andere Geschichten des Teppichs kennen — unter Mustafas erfindungsreicher Beredsamkeit wuchs aus jedem Teppichfaden ein Märchen!
    Einem solchen Teppich konnte der Lord kaum widerstehen. Jedoch sah der Butler auf die Uhr und sagte: »Mylord, unser Dampfer sticht in See!«
    Sofort! Sofort wollte Mustafa den Teppich einrollen und an Bord bringen lassen. Er war ja nur zu froh, das Stück mit der ungeklärten Herkunft außer Landes zu wissen! »Nur tausend Silberstücke!«
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