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Löwe gut - alles gut

Löwe gut - alles gut

Titel: Löwe gut - alles gut
Autoren: Max Kruse
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reicher ist er auch an Dingen, die man mitnehmen kann. Denn desto mehr Zeit hatten die Leute gehabt, etwas liegenzulassen. Aber heute hatte Jussuf zunächst nicht im Sinn, etwas zu entdecken, er wollte vielmehr den Teppich in Silbermünzen verwandeln.
    Er kannte da einen Teppichhändler, Mustafa, der einen großen Laden im Basar hatte und sehr reich war. Mustafa war reich, weil er Teppiche billig einkaufte und teuer verkaufte, vor allem an die durchreisenden Fremden, denen man ja so ziemlich alles andrehen kann.
    Jussuf begrüßte Mustafa, wünschte ihm Gesundheit und ein langes Leben und noch mehr Reichtum und Kindersegen und sagte dann: »Ich habe hier einen Teppich, den ich nicht abgeneigt wäre zu verkaufen, vorausgesetzt, daß wir uns über den Preis einigen können!«
    Er rollte den Teppich aus — und selbst in Mustafas Teppichladen, dessen Wände und sogar Decken mit wertvollen Teppichen ausgeschlagen waren, wo an den Seiten die Teppiche in großen Rollen aufgereiht standen, machte der fliegende Teppich einen kostbaren Eindruck.
    Mustafa erkannte dies mit geübtem Blick, heftete jedoch seine Augen gelangweilt auf einen der zierlichen weißen Vogelkäfige, die leer und nur zum Schmuck zahlreich von der Decke herabhingen, seufzte und antwortete, daß er noch nie im Leben einen so häßlichen Teppich gesehen habe. Er ließ sich aber doch herab, wenigstens das Material zu befühlen, was ihm einen neuen Seufzer entlockte und die Bemerkung, daß er bis heute nicht geglaubt habe, es könne so minderwertige Teppiche überhaupt geben.
    »Gut!« sagte Jussuf und begann den Teppich wieder zusammenzurollen. »Dann bringe ich ihn zum Teppichhändler Achmed!«

    »Warte noch!« Mustafa befühlte den Teppich nochmals, seufzte wieder und sagte, der Weg zu Achmed lohne sich wahrhaftig nicht, aber er wolle Jussuf vielleicht ein Silberstück geben, anderthalb vielleicht, aber keinesfalls mehr. »Übrigens, mein Freund«, fragte Mustafa, der seinen Jussuf schon kannte, »wo hast du denn den Teppich her? Wenn es auch ein minderwertiger Teppich ist, so ist es doch immerhin ein Teppich. Und seit wann besitzt du Teppiche? Ich bin, wie du wohl weißt, ein ehrenhafter Kaufmann und kann es mir nicht erlauben, gestohlenes Gut zu kaufen und — Gott schütze mich — weiterzuverkaufen.«
    »Gestohlen?« Jussuf fuhr das Wort in die Glieder wie ein Blitzschlag! »Gestohlen? — Bei allem, was uns teuer ist! O Mustafa, wie kannst du glauben, daß ich... oh, ich kann es nicht fassen! Dieser Teppich gehörte meiner Großmutter, einer vornehmen und reichen Dame, die vor kurzem zu meinem unaussprechlichen Kummer verstorben ist und mir diesen einzigartigen Teppich vermachte. Ihr schönstes und wertvollstes Stück; in ganz Sultanien findet man nicht seinesgleichen; sie bekam ihn von einem persischen Prinzen, der ihn vom türkischen Großmogul erworben hatte. Der persische Prinz zahlte fünfhundert Silberstücke, o Mustafa, denn du mußt wissen, daß er sich unsterblich in die schönen Augen meiner Großmutter verliebt hatte! Soll ich dir die Geschichte erzählen?«
    Jussuf wußte wohl, daß Mustafa nichts lieber hörte als Geschichten von Prinzessinnen und Kalifen und unglücklicher Liebe und so.
    Jussuf erzählte also die Geschichte, wie seine Großmutter von dem persischen Prinzen den Teppich bekam, und er erzählte gut. Und das ist der Grund, weshalb er nach langer Zeit mit zehn Silberstücken in der Tasche Mustafas Geschäft verließ und Mustafa den Teppich neben andere an den Eingang hängte.
    Beide rieben sich zufrieden die Hände.

Gedanken am Morgen

    Das Kamel hatte in der Nacht, in der Jussuf den schönen märchenhaften Fund machte, ausnehmend gut geschlafen. Endlich wieder im eigenen Bett! In der vertrauten, friedlichen, heimatlichen Umgebung! Kein böser Traum hatte ihm nahes Unheil angekündigt. Im Gegenteil, vergnügt, wohlgemut und mit blinkenden Augen erwachte es und trat auf den Balkon.
    Es genoß den Blick über das Gewirr der Straßen, wo sich geschäftiges Leben regte, über Dächer und Kuppeln, in blühende Gärten, bis hin zum fernen Gebirge, hinter dem die Sandwüste begann.
    Schön, dachte es. Schön, wieder zu Hause zu sein! Und der Sultan soll auch hierbleiben. Was gehen uns diese frechen Seeräuber an? Ich will mich beeilen, den Teppich wegräumen zu lassen. Und dann werde ich den Kellerschlüssel an mich nehmen und einen langen Spaziergang machen. Wer weiß, ob der Sultan die Dinge nicht überhaupt heute schon ganz
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