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Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Titel: Lockruf der Toten / Magischer Thriller
Autoren: Kelley Armstrong
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Erfrischungen an. Zwei der Männer fragten nach Wein, der Dritte nahm Wasser. Dann wurden die Stimmen statisch, als hätten sie sich hingesetzt.
    Wein und Konversation als Einleitung zu Sexspielchen mit einem Teenager?
    Brendan versuchte die Unterhaltung zu verstehen. Sie redeten über Bücher. »Texte«, wie sie es nannten. Wörter wie »Glaube« und »Ritual« gingen hin und her, und sie schienen über deren unterschiedliche Bedeutungen in hebräischen und lateinischen Versionen von irgendwas zu diskutieren.
    Latein. Das war es, was die Frau vorhin gesprochen hatte. Als er ins Auto gestiegen war, hatte sie irgendwas in einer Fremdsprache zu dem Mann gesagt. Und bei ihrem Akzent hatte Brendan zunächst angenommen, dass sie kurzzeitig in ihre Muttersprache verfallen sei, um eine private Bemerkung machen zu können. Die Sprache hatte aber zugleich vertraut geklungen, und jetzt wusste Brendan auch, warum. An Weihnachten und Ostern hatte er in der katholischen Kirche genug Latein gehört.
    Und jetzt redeten diese Leute über religiöse Texte, das konnte kein Zufall sein. Sie hatten gesagt, dass sie ihm helfen wollten, um für die Fehler, die sie bei ihrem eigenen Sohn gemacht hatten, Buße zu tun. Barmherzige Samariter.
    » … zu alt«, sagte ein Mann, dessen Stimme gerade lauter wurde, so dass Brendan ihn ohne weiteres verstehen konnte. »Erfolge hatten wir bisher mit viel jüngeren Kindern, und ich wüsste nicht, warum wir das jetzt ändern sollten.«
    »Wir ändern es nicht«, sagte ein anderer Mann. »Wir erweitern das Spektrum und experimentieren. Jüngere Kinder gibt es da draußen nicht in unbegrenzter Zahl, und es ist nicht einfach, an sie heranzukommen. Wenn wir die Vorgehensweise so abändern könnten, dass wir auch mit Teenagern Erfolge haben, dann erweitern wir unsere Möglichkeiten fast ins Unbegrenzte.«
    »Don hat recht.« Das war wieder die Frau. »Ein, zwei Fälle im Jahr sind nicht genug, nicht in dem Rahmen, in dem wir …«
    Ihre Stimme fiel ab, bis Brendan wieder nur noch einzelne Wörter aufschnappen konnte.
    Er konnte es ihnen nicht übelnehmen, dass sie es am liebsten mit Kindern versuchten. Die meisten Straßenkinder hatten, wenn sie einmal in seinem Alter waren, keinerlei Interesse mehr daran, »gerettet« zu werden. Sie waren zu tief in ihrem Leben verwurzelt, um noch Hilfe anzunehmen. Er dagegen würde es tun. Drogen waren nicht sein Problem, er hatte nie genug Geld gehabt, um sich welche leisten zu können. Sie konnten alle Bibelverse zitieren, die sie zitieren wollten, und er würde lächeln und zustimmen, wenn das bedeutete, dass er in einen Bus steigen und nach Hause fahren konnte. Er würde seinen Eltern erzählen können, dass er nicht
versagt,
sondern eine religiöse Erfahrung gemacht habe, die ihn veranlasst habe, seine Pläne zu ändern.
    Er schloss die Augen und stellte sich vor, wie er die Einfahrt entlangging. Er stellte sich das Gesicht seiner Mutter vor, das entzückte Kreischen seiner kleinen Schwester, den Gesichtsausdruck seines Vaters – streng, aber erleichtert.
    Die Unterhaltung draußen schien mittlerweile zu einer Debatte über die Natur des Leidens geworden zu sein.
Yeah,
dachte er, während er ein Kichern unterdrückte,
keine Frage, Katholiken.
Und nach dem, was er aufschnappte, hörte es sich außerdem genauso an wie die Unterhaltung zwischen zwei Goth-Typen, die er letzte Woche mitbekommen hatte.
    Morbid
. Das Wort fiel ihm urplötzlich ein, und er drehte es in Gedanken hin und her. Ein cooles Wort, es beschrieb Goths genauso gut wie manche religiösen Typen – diese Fixierung auf Tod und Leiden.
    Drüben im Nebenzimmer war eine Männerstimme wieder lauter geworden.
    » … Römer die Kreuzigung nicht nur deshalb angewandt haben, weil sie eine öffentliche Demütigung darstellte, sondern auch wegen des auf diese Weise verursachten Leidens. Der Zug, den das Gewicht des Körpers ausübt, erschwert die Atmung. Der Verurteilte konnte tagelang dort hängen und langsam ersticken.«
    »Das stimmt, allerdings ist die übelste Todesart offenbar das Verbrennen, jedenfalls laut den Berichten über die Hexenprozesse. Wenn man die betreffenden Personen davor bewahrte, an dem eingeatmeten Rauch zu sterben, konnten sie erstaunlich lang am Leben bleiben und dabei unvorstellbare Schmerzen erleiden.«
    Brendan schauderte. Okay, das war jetzt jenseits von morbid. Vielleicht waren das keine normalen religiös motivierten Wohltäter, gehörten eher irgendeiner fanatischen Sekte
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