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Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
Autoren: Egmont R. Koch
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    Nein, bei der Operation »Neptuns Speer« handelte es sich um eine find-and-kill-mission . Wohin auch hätten ER, seine Familie, sein Personal, seine Vertrauten, seine Beschützer gebracht, wo vor Gericht gestellt werden sollen? Die Elitetruppe Navy-SEALs, denen der Angriff auf das Haus in Abbottabad und auf den meistgesuchten Mann auf dieser Welt anvertraut wurde, sind zudem nicht darauf spezialisiert, Menschen in Gewahrsam zu nehmen, es sind durchtrainierte, technisch bestens ausgestattete Vollstrecker. Find and kill eben.
    Der Plan wurde von langer Hand vorbereitet. Als die Handy-Ortung von Ahmed al-Kuwaiti, bin Ladens Kurier und Vertrautem, die CIA zu dem Haus geführt hatte, nachdem alle Informationen durch Agenten vor Ort so gut wie möglich abgeklärt worden waren, stand sehr bald fest, wiedie Operation ablaufen sollte. Abbottabad liegt rund sechzig Kilometer nördlich der pakistanischen Hauptstadt Islamabad und gilt wegen der Lage in einem Tal als eine der schönsten Städte des Landes. »Neptuns Speer« würde also wieder einmal Pakistan, den wichtigsten amerikanischen Verbündeten in der Region, vor den Kopf stoßen, dem Washington mit seinem Drohnenprogramm schon viel zugemutet hatte. Aber es war unvermeidlich. Völlig undenkbar schien den Amerikanern, die von Al-Qaida-Sympathisanten durchsetzten pakistanischen Sicherheitsorgane und Geheimdienste vorab über das Vorhaben zu informieren. Dann hätte man auch gleich einen Navy-SEAL mit Megafon vor die große Moschee von Abbottabad stellen können.
    Der Plan sah so aus: Zwei Black-Hawk-Hubschrauber mit Stealth-Technik, die eine Radarerkennung erschwert, sollten im Schutze der Nacht vom afghanischen Dschalalabad aus zum Zielobjekt in Abbottabad fliegen, an Bord insgesamt 22 SEALs, ein Techniker und ein CIA-Dolmetscher. Zwei größere Chinook-Helikopter vom Typ CH-47 würden fünfzehn Flugminuten von bin Ladens Anwesen entfernt mit einem Rescue-Team aus SEALs und Reservetreibstoff für die Black Hawks landen und die Entwicklung abwarten.
    Mark Bissonette war einer aus der Gruppe jener SEALs, die am 1. Mai 2011 in Dschalalabad die beiden Black Hawks bestiegen, und er ist der einzige, der mit seinem Wissen an die Öffentlichkeit ging, nachdem er den Dienst quittiert hatte (»No Easy Day«). Weil sein Pseudonym Mark Owen schnell geknackt wurde, muss Bissonette jetzt die Juristen des Weißen Hauses fürchten, die ihm Geheimnisverrat vorwerfen – und die Rächer von al-Qaida. Sein Zeugnis über die Ereignisse im Haus von bin Laden unterscheidet sich in einigen Details von den Darstellungen anderer Autoren, vor allem in der entscheidenden Frage: Welches Ziel war für die Operation tatsächlich ausgegeben worden, dead or alive ?
    Niemand zweifelt ernsthaft an der Seriosität von Bissonette, selbst wenn der Ghostwriter dessen Erinnerungen mitunter wie in alten Groschenheften umgesetzt hat. Auch der renommierte Journalist Mark Bowden, der ein eigenes Buch über das Ende bin Ladens herausbrachte (»The Finish«), verlässt sich darin auf den Ex-SEAL Bissonette. Er hält dessen Bericht »für zutreffender« als die Geschichte, die er bei seinen eigenen Recherchen in amerikanischen Sicherheitskreisen aufgetischt bekam. Auch das ist bezeichnend: Die Obama-Administration, in der Bowdens Quellen vornehmlich anzusiedeln sein dürften, versuchte offenbar, den Eindruck zu verwischen, es habe sich von Anfang an um eine gezielte Tötung des Al-Qaida-Chefs gehandelt.
    »Infil« nennen die amerikanischen Militärs in ihrem Hang zu Abkürzungen die »Infiltration«, das Anpirschen und Eindringen. Es ist Sonntag, der 1. Mai 2011, 14 Uhr. »Infil« ist gerade angelaufen. Im Lagebesprechungsraum des Weißen Hauses versammelt sich Obamas Kriegskabinett; der Hausherr hat den Vormittag auf dem Golfplatz verbracht, ist gerade erst zurückgekehrt. In Pakistan, mehr als 11000 Kilometer entfernt und auf der Uhr acht Stunden weiter, bricht die Nacht an, als die beiden Stealth-Hubschrauber aus dem Hangar geschoben werden.
    Am Rande des Flugfelds von Dschalalabad warten die beiden SEAL-Teams »Chalk One« und »Chalk Two« auf Admiral William McRaven, den Chefplaner der Operation. Er kommt »ohne großes Trara«, spricht »vor allem über die strategische Ebene«, wird sich Bissonette später erinnern. Dessen Gedanken schweifen ab zu denen, die sie im Zielobjekt vermuten und deren Kenndaten und Fotos er in einem Heftchen dabei hat, das jetzt in einer Brusttasche steckt: bin
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