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Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
Autoren: Egmont R. Koch
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Ansicht des Europäischen Gerichtshofes waren bei dem Hinterhalt schon deshalb die Menschenrechte der irischen Männer verletzt worden, weil die britische Regierung hinterher eine völlig unzureichende Aufklärung der Ereignisse betrieben habe. Kritiker warfen der britischen Regierung ein regelrechtes Massaker vor, schließlich sei die Polizeistation nicht besetzt gewesen. Wer wie in Laughgall einen Hinterhalt lege, der müsse auch versuchen, die Täter festzunehmen und vor Gericht zu stellen, statt sie kaltblütig hinzurichten.
    Ebenfalls in den achtziger Jahren gründete die spanische Regierung eine geheime Einsatztruppe namens Grupos Antiterroristas de Liberación (GAL). Einziger Gegner waren diebaskischen Separatisten, vor allem die ETA. Aus den Operationen der neugegründeten Eliteeinheit entwickelte sich sehr schnell ein schmutziger Krieg. Zwischen 1983 und 1987 wurden Hunderte von Basken von der GAL entführt und gefoltert, um an Informationen über Terroristen zu gelangen. 28 Morde wurden später gezählt, darunter viele Hinrichtungen; ein Drittel der Opfer, so stellte sich heraus, hatten keinerlei Verbindungen zur ETA. Die willkürlichen Gräueltaten kamen ans Licht, einige Mitglieder der GAL wurden vor Gericht gestellt und verurteilt. Wieder einmal endete die »Lizenz zum Töten in einem politischen, moralischen und rechtlichen Desaster«, schreibt der Politikwissenschaftler Avery Plaw in seinem Buch »Targeting Terrorists«. Wo die Gewaltenteilung und damit die Kontrolle der Exekutive außer Kraft gesetzt wird, sind die Folgen leicht absehbar.
    Heute klingen die Rechtfertigungen für die Liquidierung von Al-Qaida-Terroristen und anderen gewaltbereiten Islamisten ähnlich wie damals während der IRA- und ETA-Konflikte. Immer geht es um Sicherheit für die Bürger des eigenen Staates, also um die Sorge vor neuen Anschlägen. Diese Begründung ist schon deshalb fadenscheinig, weil der Hydra, heiße sie nun al-Qaida, Hamas oder damals IRA und ETA, stets neue Köpfe nachwachsen, gleichgültig wie systematisch das Ungeheuer enthauptet wird. Die Effektivität ist höchst zweifelhaft, von der Legitimität ganz zu schweigen.
    Die Rechtfertigung der Regierungsjuristen damals wie heute: Bei Terroristen handele es sich gewissermaßen um Krieger ohne Uniform, und auch in einem so genannten asymmetrischen Krieg, bei dem sich nicht zwei Heere, sondern einer Armee kämpfende Zivilisten gegenüberstünden, dürften diese wie feindliche Soldaten getötet werden, wo immer sie sich aufhalten, gezielt und ungezielt. Das sei internationales Völkerrecht. Dieses Völkerrecht sehe jedochden Status des zivilen Kämpfers nur für solche Fälle vor, bei denen er sich direkt und unmittelbar an feindseligen Handlungen beteiligte, entgegnen die Kritiker.
    Dagegen wiederum argumentieren die Regierungen, es falle ohnehin unter Notwehr, weil konkrete terroristische Anschläge durch gezielte Tötungen verhindert würden. Terroristen seien gewissermaßen »tickende Zeitbomben«, die sofort und nachhaltig entschärft werden müssten. Aber geht es wirklich um vorsorgliche Selbstverteidigung? Steht nicht vielmehr die abschreckende Wirkung von extralegalen Hinrichtungen im Mittelpunkt? Völlig in Abrede gestellt werden zudem Rache und Vergeltung, obwohl gerade diese Motive vielfach offen zu Tage treten, so wie bei der Hinrichtungskampagne des Mossad nach dem Attentat an israelischen Sportlern während der Olympischen Spiele in München 1972 (siehe S. 166).
    Am 4. Oktober 2010 wird Obamas Todesurteil gegen den Deutschen Bünyamin Erdogan unweit des Dorfes Mir Ali in Waziristan vollstreckt. Der Tod kommt wie immer aus heiterem Himmel. Das Opfer ist wahrscheinlich kein Unschuldslamm. Der junge Deutschtürke will sich womöglich an den Kämpfen gegen die pakistanische Armee beteiligen. Vielleicht will er auch als Bombenbauer nach Deutschland zurückkehren. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat bereits ein Ermittlungsverfahren wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat eingeleitet, für die es einen neuen Paragraph 89a im Strafgesetzbuch gibt. Seit 9/11 ist es üblich, dass die Amerikaner solche Erkenntnisse vom deutschen Verfassungsschutz übermittelt bekommen. Auf diese Weise dürfte auch Bünyamins Handynummer, die Handynummer einer Kontaktperson in der Türkei und die Adresse eines Cafés in Pakistan den Weg in das elektronische Gehirn der amerikanischen National Security Agency (NSA) gefunden haben. Ob und wie diese Daten
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