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Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
Autoren: Egmont R. Koch
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systematisch. US-Präsident Richard Nixon hatte die scharfen Hunde von der Leine gelassen, und die bissen auch zu. Hinrichtungen außerhalb der Rechtsprechung, vor allem politische Morde, wurden danach per Dekret des Nixon-Nachfolgers Gerald Ford verboten. Das war 1976. Obwohl dessen Executive Order nie zurückgenommen wurde, fühlten sich die Präsidenten Bill Clinton, George W. Bush (schon vor 9/11) und Barack Obama nicht mehr an sie gebunden.
    In Israel änderte sich die Praxis der gezielten Tötungen mit Beginn der Zweiten Intifada, des Aufstands der palästinensischen Jugend in der besetzten Westbank und im Gaza-Streifen im Jahr 2000. Damals erhielten auch andere israelische Geheimdienste und Spezialeinheiten eine »Lizenz zum Töten«, da der Mossad nur im Ausland, aber nicht in den Palästinensergebieten operierte. Als die Intifada im Februar 2005 beendet wurde, waren mehr als einhundert Palästinenser den Mordanschlägen zum Opfer gefallen. Gewalt und Gegengewalt: In der gleichen Zeit starben fünfmal so viele Israelis durch palästinensische Selbstmordanschläge. Nach 2005 hat sich das Verhältnis umgedreht: Fast einhundert gezielt getöteten Palästinensern stehen bis heute 55 Todesopfer auf israelischer Seite gegenüber. Das hängt mit Terrorbekämpfung durch wirksame Ausgrenzung (Zäune, Mauern) und effektiver Geheimdienstarbeit zusammen, sicherlich nicht mit der abschreckenden Wirkung von Hinrichtungen. Und durch amerikanische Drohnen kamen seit 2008 schätzungsweise zwischen 2500 und mehr als 4000 Menschen ums Leben, das ist etwa die gleiche Zahl von Opfern wie durch die Anschläge islamistischer Terroristen vor und am 11. September 2001 (siehe Anhang).
    Body counting, Leichen zählen – ihre Opfer gegen unsere Opfer? Doch es ist kein Ende in Sicht. Das gezielte Töten ist gängige Praxis in Israel und in den Vereinigten Staaten geworden – daran ändert auch Obamas Moratorium vom Mai 2013 nichts Grundsätzliches. In der Westbank, im Gaza-Streifen, in Waziristan, im Jemen und in Somalia und bald womöglich auch in anderen Regionen der Welt geht die Menschenjagd weiter – und niemand scheint ihr Einhalt zu gebieten.
    Nach dem Mossad-Mord in Dubai im Januar 2010 fragte die WDR-Redaktion die story bei mir an, ob ich Interesse hätte, einen Film über Israels »Lizenz zum Töten« zu drehen. Ich hatte. Auf zwei Recherchereisen reaktivierte ich alte Kontakte, vor allem zu Gad Shimron, einem ehemaligen Mossad-Agenten und späteren Journalisten. Wir tourten durchs Land, er zeigte mir historische Schauplätze und neue »Errungenschaften« wie die Grenzbefestigungen um Teile der Westbank; und wir saßen stundenlang in der Altstadt von Jerusalem zusammen, um uns über das Thema »gezielte Tötungen« auszutauschen. Shimron steht, wie sich herausstellte, der israelischen Politik kritisch gegenüber, vor allem »der Schießwut« der militärischen Spezialeinheiten; er sieht andererseits Exekutionen durch den Mossad wie jene an dem Hamas-Waffenhändler al-Mabhouh in Dubai durchaus als ultima ratio. Seinem differenzierten Urteil verdankt dieses Buch viel, auch wenn wir nicht in allen Fällen zu dem gleichen Ergebnis kommen. Das Buch des Mossad-Veteranen Jakob Meidad alias Anton Künzle über die Ermordung des Kriegsverbrechers Herberts Cukurs (»Der Tod des Henkers von Riga«), an dem Shimron journalistisch mitgewirkt hat, trägt meines Erachtens eher zur Legendenbildung als zur Wahrheitsfindung bei (siehe S. 153). Überhaupt scheint der »Mythos Mossad« bei weitem überschätzt, wenn man analysiert, wie stümperhaft und fahrlässig der Geheimdienst bisweilen vorgeht.
    Ein ganz großer Dank gebührt jenen, die mir in Israel und in der palästinensischen Westbank bei den Recherchen behilflich waren, allen voran Anita Abdullah, aber auch Oren Geller, Asaf Zussman, Uri Blau, Shawan Jabarin, Samer Burnat, Sam Bahour, Salwa Duaibes, Hisham Sharabti, Majed Ghanayem, Ephraim Asculai, Ethan Bronner. Danken möchte ich auch jenen Gesprächspartnern, die mich mit der Argumentation der »offiziellen« israelischen Seite vertraut gemacht haben: Moti Kfir, Eliezer »Geizi« Tsafrir, Mishka Ben-David, Asa Kasher, Arye Shalicar, Iftach Spector, AmnonStraschnov. Für ihre völkerrechtlichen Einschätzungen danke ich Heike Krieger, Philip G. Alston, Eyal Benvenisti und Mordechai Kremnitzer.
    Für dieses Buch habe ich das Thema der Fernsehdokumentation, die im April 2013 in der ARD ausgestrahlt wurde, um die Hinrichtungskampagne
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